Man geht zum Arzt, weil man sich um das Wohlergehen seines Kindes sorgt. Dass es dort Opfer sexuellen Missbrauchs wird, ist die Horrorvorstellung eines jeden Elternteils schlechthin. Der Fall des oberösterreichischen Mediziners, der in den letzten zwanzig Jahren 95 Kinder in seiner Praxis missbraucht haben soll, ist in seinen Ausmaßen zwar besonders heftig, aber keineswegs der erste. Man erinnere sich an die Verurteilung eines Arztes in Kärnten im Jahr 2003, weil er sich unter anderem über Jahrzehnte hinweg an insgesamt 80 Opfern vergangen hat.

Dass Kinder bei Ärzten Opfer sexuellen Missbrauchs werden, ist die Horrorvorstellung eines jeden Elternteils.
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Nun stehen diverse Fragen im Raum: Warum kann ein Missbrauch unbemerkt bleiben, wenn die Eltern währenddessen im Wartezimmer sitzen? Weshalb haben sich die Betroffenen nicht schon viel früher gemeldet? Psychologen erklären – und das kann man nachvollziehen -, dass Kinder besonders eingeschüchtert sind. Sie haben Angst, selbst schuld zu sein oder sich falsch verhalten zu haben.

Daher kann man nur an das Umfeld appellieren und damit gewissermaßen an jeden, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen. Jede Person ist berechtigt, der Kinder- und Jugendhilfe eine Kindeswohlgefährdung zu melden. Das ist eine niederschwellige Möglichkeit, wenn man nicht gleich zur Polizei rennen will. Die Jugendämter müssen solchen Meldungen nachgehen und können die Situation professionell einschätzen. Lieber einmal zu oft hingeschaut, als Minderjährige ihrem Schicksal zu überlassen. (Rosa Winkler-Hermaden, 24.7.2019)