Journalisten genießen ein Privileg, das zur Berufsausübung essenziell ist: Sie sind typischerweise früher informiert als andere, sind näher dran am Geschehen, können mit wichtigen Persönlichkeiten sprechen – und sie haben alles Recht, diese Persönlichkeiten, dieses Geschehen, den Inhalt der erhaltenen Information zu kritisieren.

Dieses Privileg wird mit der mehr oder weniger streng gehandhabten Zusage erkauft, in das Geschehen nicht einzugreifen: Wenn man privat Aktien eines Unternehmens hält, darf man über dieses Unternehmen nichts schreiben, was den Aktienkurs beeinflussen könnte.

Oder allgemeiner: Die professionelle Distanz fordert von Journalisten, sich nicht mit einer Sache gemein zu machen, über die sie schreiben. Und sei diese Sache noch so gut.

Der TV- und Printjournalist Helmut Brandstätter wird als Kandidat für die Nationalratswahl-Bundesliste der Neos kandidieren.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Aber natürlich juckt es einen, in besonderen Fällen eine Ausnahme zu machen – dann schlagen Sympathien für einen Künstler, ein Produkt, eine Hilfsorganisation oder auch eine politische Partei stärker, als eigentlich angemessen wäre, in die journalistische Arbeit durch. Man weiß schließlich besser als andere, worum es geht. Dieses Wissen verführt aktuell mehrere Journalisten, selbst in die Politik einzusteigen. Bisherige Beispiele haben gezeigt, dass Kolleginnen und Kollegen lernen mussten, dass Politikmachen etwas anderes ist, als über Politik zu berichten.

Kulturjournalisten sind da bescheidener: Opernkritiker stellen sich nicht auf die Bühne, um selbst zu singen. (Conrad Seidl, 25.7.2019)