Helmut Brandstätter war Chefredakteur und Herausgeber des "Kurier". Seine journalistische Karriere begann er im ORF, jetzt will er ein pinkes Nationalratsmandat. Sibylle Hamann schrieb ebenfalls für den "Kurier" und war später für das "Profil" tätig. Zuletzt schrieb die nunmehrige Grünen-Kandidatin für "Presse" und "Falter".

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Eugen Freund war lange Auslandskorrespondent des ORF, moderierte "ZiBs" sowie das "Weltjournal" und trat 2014 als SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl an.

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Josef Broukal war in jungen Jahren für die SPÖ tätig, dann lange im ORF, moderierte dort unter anderem die "ZiB 2" und wurde dann 2002 SPÖ-Abgeordneter.

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Hans-Peter Martin schrieb unter anderem für den "Spiegel", trat 1999 für bei der EU-Wahl für die SPÖ an, verließ 2004 aber die Partei und wurde fraktionslos.

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Ursula Stenzel war "ZiB"-Moderatorin. 1996 trat sie für die ÖVP bei der EU-Wahl an, 2005 wechselte sie in den Wiener Gemeinderat, 2015 wechselte sie zur FPÖ.

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Helga Rabl-Stadler arbeite für die "Presse", "Wochenpresse" und den "Kurier". In den 80er- und 90er-Jahren war die spätere Präsidentin der Salzburger Festspiele VP-Abgeordnete.

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Helmut Zilk war ORF-Fernsehdirektor, dann "Krone"-Ombudsmann und wechselte 1979 in die Wiener Stadtregierung. Von 1984 bis 1994 war Bürgermeister.

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Als Journalist stehen einem viele Wege offen. Manche landen beim STANDARD und schreiben über Boris Johnson. Andere sind Boris Johnson und werden britischer Premierminister. Der 55-Jährige, der in den 90er-Jahren noch für den "Daily Telegraph" aus Brüssel über die EU-Politik berichtete und sich den Ruf erarbeitete, es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau zu nehmen, ist seit dieser Woche offiziell dafür verantwortlich, den Brexit endlich über die Bühne zu bringen.

Auch in Österreich haben es bereits einige Journalisten in die Spitzenpolitik geschafft. Helmut Zilk war zuerst im ORF und bei der "Kronen Zeitung" tätig, bevor er Stadtrat, Minister und schließlich Wiener Bürgermeister wurde. Bei diversen Wahlen der jüngeren Vergangenheit wurden ebenfalls immer wieder Journalisten als Quereinsteiger präsentiert – häufig haben sie Rundfunk-Vergangenheit. Die SPÖ ging 2014 mit Eugen Freund als Spitzenkandidat in die EU-Wahl. Josef Broukal setzten die Roten 2002 auf ihre Nationalratswahlliste. Ursula Stenzel kandidierte zuerst für die ÖVP (EU, Wiener Gemeinderat) und wechselte schließlich 2015 zur FPÖ.

Pinke und Grüne werben ab

Bei den Blauen war sie nicht die erste Ex-Journalistin. Theresia Zierler war 14 Jahre für den ORF tätig, bevor sie 1999 für die FPÖ in den Nationalrat einzog und danach sogar Generalsekretärin der Partei wurde. Der langjährige EU-Mandatar der Freiheitlichen, Hans Kronberger, kam ebenfalls vom staatlichen Rundfunk.

Im aktuellen Wahlkampf haben die Neos den bisherigen "Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter, der ebenfalls lange für den ORF gearbeitet hat, an Bord geholt. Er wurde am Donnerstag offiziell präsentiert, will zwar nicht Parteimitglied werden, bekommt aber Platz zwei auf der Bundesliste hinter Parteichefin Beate Meinl-Reisinger und soll sich künftig vor allem um die Themen Wissenschaft und Forschung kümmern.

Auch die Grünen, die zurück in den Nationalrat wollen, setzen heuer auf journalistischen Background und wählten die bisherige "Presse"- und "Falter"-Kolumnistin Sibylle Hamann auf Platz drei ihrer Bundesliste.

Ob solche Personalentscheidungen den Parteien etwas bringen, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Klar ist: Sie weisen meist einen gewissen Bekanntheitsgrad auf und führen zu stärkerer Medienpräsenz – wie auch dieser Artikel und diverse Berichte der vergangenen Tage belegen.

Relevanter bei EU-Wahlen

Viele empirische Studien zur Wirkung von prominenten Quereinsteigern gibt es allerdings nicht. ORF-Moderator Armin Wolf hat sich 2006 in seiner Dissertation "Celebrity Politics" mit dem Phänomen beschäftigt und kam zu dem Schluss, dass Prominente vor allem bei Europa-Wahlen ein stärkeres Wahlmotiv waren. Die von ihm befragten Parteiverantwortlichen zeigten sich sogar durch die Bank überzeugt, dass ihnen die Quereinsteiger zusätzliche Stimmen gebracht hätten.

Die weiteren Karriereverläufe der politischen Neulinge unterscheiden sich jedenfalls von klassischen Berufspolitikern. "Im Durchschnitt sind prominente Seiteneinsteiger weniger lang in der Politik, kandidieren seltener wieder und übernehmen weniger Funktionen als traditionell rekrutierte Politiker", analysierte Wolf. Konkret dauerte ihre Amtszeit mit durchschnittlich 4,6 Jahren nur halb so lang wie jene von Bundespolitikern im Allgemeinen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch eine deutsche Studie im Jahr 2017, für die fast 600 Biografien von Abgeordneten des Deutschen Bundestags untersucht wurden. Aufgrund ihrer geringeren Vernetzung und des mangelnden Rückhalts in den Parteien machen Quereinsteiger demnach weniger häufiger Karriere. Die wirklich wichtigen politischen Funktionen gehen also meist doch wieder an klassische Berufspolitiker. (Günther Oswald, 26.7.2019)