Harald Lechner: "Die falschen Entscheidungen merkt man sich, die vielen richtigen nicht."

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STANDARD: Man sagt, ein guter Schiedsrichter fällt nicht auf. Stimmt das?

Lechner: Meine Aufgabe ist, den Regeln Geltung zu verschaffen. Es gibt Momente, in denen man auffallen muss, weil es das Regelwerk verlangt. Dann rückt man als Schiedsrichter ungewollt in den Vordergrund.

STANDARD: Wird Ihre Arbeit durch die neuen Fußballregeln einfacher?

Lechner: In gewissen Bereichen bestimmt. Um ein Beispiel zu nennen: Oft haben Spieler beim Freistoß versucht, Löcher in die gegnerische Mauer zu reißen. Nun müssen sie Abstand halten, dadurch kann es nicht mehr zu Rempeleien kommen.

STANDARD: Werden solche Regeländerungen von den Spielern rasch verinnerlicht?

Lechner: Bei den Testspielen gab es einige Unklarheiten, da waren nicht alle auf dem letzten Stand. Bis zum Beginn der Meisterschaft sollte allerdings Klarheit herrschen. Die Mannschaften der Bundesliga sind verpflichtet, eine Regelschulung zu absolvieren.

STANDARD: Schiedsrichter stehen unter Druck, man erwartet korrekte Entscheidungen. Wie gehen Sie damit um?

Lechner: Ich habe immer eine 50:50-Chance, es ist ein Entweder-oder. Ecke oder Abstoß. Foul oder nicht Foul. Der Vorteil für eine Mannschaft ist der Nachteil für die andere. Die falschen Entscheidungen merkt man sich, die vielen richtigen nicht.

STANDARD: Wie schwer liegen Ihnen Fehlentscheidungen im Magen?

Lechner: Jede Fehlentscheidung tut weh. Man muss dann vor allem analysieren, warum der Fehler passiert ist. War es eine schlechte Positionierung? War mir der Blick verstellt? Der Schiedsrichter ist sich seiner Fehlbarkeit bewusst. Es gibt wenige Jobs, in denen jeder Fehler so gnadenlos aufgedeckt wird.

STANDARD: In der Schweiz wird seit dieser Saison der Videobeweis genutzt. In Österreich wird er spätestens 2022 eingeführt. Wie sinnvoll ist er eigentlich?

Lechner: Man hat seinen Nutzen in der Schweiz schon in der ersten Runde gesehen. Jedes Hilfsmittel, das uns die Arbeit erleichtert, ist ein Fortschritt. Es ist unangenehm, wenn ein Spiel 1:0 endet und das Tor durch einen Schiedsrichterfehler ermöglicht wurde. Kein Schiedsrichter möchte ein Match entscheiden.

STANDARD: Zuseher beleidigen Ihren Berufsstand unter der Gürtellinie. Brauchen Sie eine dicke Haut?

Lechner: Das prallt an mir ab, den Spielern geht es ja auswärts nicht anders. Ich werde keinen Beliebtheitspreis gewinnen und auch keinen Heldenstatus erreichen. Damit kann ich leben. Es sind Emotionen im Spiel, man darf nicht alles persönlich nehmen. (Philip Bauer, 26.7.2019)