Der Name Hydra lässt Kenner der griechischen Mythologie sicher aufhorchen: Das mehrköpfige Ungeheuer schien unsterblich, da jeder abgehackte Kopf gleich zweifach nachwuchs. Eines der Häupter war überhaupt unverwundbar. Erst der mutige Herakles konnte das Monster zur Strecke bringen, so wird es überliefert.

Das wirbellose Süßwassertier Hydra, das seit 600 Millionen Jahren existiert, hat natürlich nicht diese schauerlichen Fähigkeiten des gleichnamigen Wesens, es wird auch nur bis zu drei Zentimeter lang. Dennoch scheint es ähnlich unverwundbar zu sein. Es kann Zellen reparieren, das gelingt auch bei den Nervenzellen.

Klein, unscheinbar, aber äußerst überlebensfähig: Hydra
Foto: Stefan Siebert

All das bietet der Hydra, zum Stamm der Nesseltiere gehörend, wahrhaft erstaunliche Möglichkeiten, die beweisen, dass der Name nicht zufällig gewählt wurde: Trennt man das Tier in zwei Teile, dann regenerieren sich binnen weniger Tage Nervensystem und Körper – solange ein paar Zellen unversehrt geblieben sind, würde das auch nach dem Vierteilen gelingen.

Sie altern nicht

Es gibt Hydra-Populationen, die über einen bestimmten Beobachtungszeitraum nicht alterten. Logisch, dass Biomediziner diesem Phänomen schon lange auf den Grund gehen wollen – nun ist einem Team der University of California rund um die Zellbiologin Celina Juliano ein vielversprechender Ansatz gelungen.

Es hat aufgeschlüsselt, wie die Hydra aus insgesamt drei Stammzellpopulationen ihre Zellen erneuert – und zwar kontinuierlich. Die Forscher gruppierten die Gene, die von der DNA in die RNA umgeschrieben werden (Transkriptom), und zeigten, wie dann in einem, wie sie es nennen, "decision tree" aus jeder der drei Stammzelllinien unterschiedliche Zelltypen und Gewebe entstehen. Zum Beispiel produzieren die interstitiellen Stammzellen, also jene, die im Zwischengewebe liegen, Nervenzellen, Drüsenzellen und die beim Angriff von Fressfeinden stechenden Zellen in den Tentakeln der Tiere.

Das ist erstaunlich, schreiben die Wissenschafter aus Kalifornien. Stammzellen, die auf dem Weg der Differenzierung zwischen Neuronen und Drüsenzellen einen gemeinsamen Zustand aufweisen, der Potenzial hat, in beide Richtungen zu gehen, hatten sie eigentlich nicht erwartet.

Gene steuern Prozesse

Die Forscher haben in der vorliegenden Arbeit "Stem cell differentiation trajectories in Hydra resolved at single-cell resolution", die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science publiziert wurde, auch Gene identifiziert, die diese Entscheidungsprozesse steuern können. Darauf werden sie sich, wie es in einer Aussendung heißt, künftig fokussieren.

Natürlich ist man besonders an der Fähigkeit der Hydren interessiert, die Nervenzellen zu regenerieren, was Rückschlüsse auf künftige Behandlungen neurodegenerativer Erkrankungen oder Traumata nach Verletzungen zulassen könnte – obwohl die Hydra-Neuronen natürlich deutlich primitiver sind als die der Menschen.

Vergleicht man übrigens die Zahl der Gene, die die Hydra und der Mensch haben, dann wird man ein weiteres Mal staunen: Der Winzling aus dem Süßwasser hat immerhin 20.000 Gene, die Menschen haben nur um wenige Tausend mehr. (red)