Eine Sprühnebeldusche aus einem Wasserschlauch am Praterstern in Wien. In Zukunft wird das wohl noch notwendiger sein als jetzt schon.

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42 Hitzetage mit einer Temperatur von mindestens 30 Grad hat die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) im Jahr 2018 in der Wiener Innenstadt gemessen. Gestartet ist der vergangene Hitzesommer mit einem der zehn wärmsten Juni-Monate der Messgeschichte, gefolgt von einem der 15 wärmsten Juli-Monate. Der August war schließlich einer der fünf wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1767. Der Sommer 2019 wird laut ZAMG mit großer Wahrscheinlichkeit einer der fünf heißesten Sommer.

Es ist heiß in der Stadt, und es wird noch heißer. Laut einer Studie, die im Juni im Journal Urban Climate erschienen ist, wird Wien zum Jahrhundertende eine der am stärksten von Hitzewellen betroffenen europäischen Hauptstädte sein. Die Begründung ist vielschichtig. Der erste Faktor ist kein meteorologischer, sondern die hohe Wachstumsrate der Stadt. "Unsere Bevölkerungsstruktur ist empfindlicher gegenüber der Klimaerwärmung", sagt Matthias Ratheiser. Der Meteorologe ist Geschäftsführer von Weatherpark, das auf Stadtklimatologie spezialisiert ist und die Stadtregierung berät.

"Es ist keine Prognose mehr"

Hinzu kommen aber natürlich auch meteorologische Gründe. "Die Auswirkungen des Klimawandels im Alpenraum sind im Allgemeinen stärker als im weltweiten Mittel", sagt Ratheiser. "Man sieht das an den Daten, es ist also keine Prognose mehr." So ist die globale Temperatur im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung um ein Grad gestiegen – im Alpenraum um zwei Grad. "Wir haben eine doppelt so hohe Klimaerwärmung als der Durchschnitt." Im günstigsten Szenario des Weltklimarats IPCC, das eine Einhaltung der Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens vorsieht, steigt die Durchschnittstemperatur bis 2050 im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung nur um 1,4 Grad.

Forscher der ETH Zürich errechneten in PLOS One, dass das Klima in Europas Städten 2050 in etwa jenes sein wird wie heute in Citys tausende Kilometer weiter südlich. Die Temperaturen in Wien sollen 2050 ähnlich jenen sein, die heute in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje herrschen, in Stockholm sind 2050 heutige Wiener Verhältnisse zu erwarten. In den Niederlanden wurden vergangene Woche erstmals Temperaturen von über 40 Grad gemessen.

Dichte Bebauung

In Wien werden die Hitzewellen länger und häufiger. Wenn es im Sommer warm ist, dann ist es in Wien noch heißer, sagt Stadt-Klimaforscherin Rosmarie de Wit von der ZAMG. "Die Materialien in der Stadt speichern die Wärme, die Stadt kühlt langsamer ab. Besonders dunkle Flächen absorbieren Wärme." Durch die dichte Bebauung gibt es weniger Verdunstungskälte, die etwa durch Bäume und Pflanzen entsteht.

Am markantesten zeigt sich das Problem der Hitze in der Stadt an der fehlenden Nachtabkühlung. So ist es in einer Sommernacht um vier bis fünf Grad wärmer als im Umland. Das wirkt sich auf den Schlaf der Stadtbevölkerung aus. Die Hitze ist nicht mehr aus der Wohnung zu bekommen. Bei einem Nachtminimum über 20 Grad schläft man schlecht. "Das hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit", sagt Ratheiser.

Immer mehr Sommertage

Nicht nur an der extremen Hitze spürt man die Stadterwärmung. Von 1971 bis 2000 gab es in Wien-Innere Stadt 68, auf die ganze Fläche Wiens gerechnet im Mittel 45 Sommertage, an denen mehr als 25 Grad gemessen wurden. Diese Zahl stieg signifikant an: Im vergangenen Sommer wurden in der Wiener City 118 Sommertage registriert.

"2018 war allerdings das wärmste Jahr der 251-jährigen Messgeschichte in Österreich", sagt de Wit. Die Zahl der Sommertage war in Österreich größtenteils doppelt so hoch wie in einem durchschnittlichen Jahr. "Aus Zukunftsszenarien kann aber abgeleitet werden, dass ein extremes Jahr wie das vergangene bis zum Jahr 2100 eher die Regel sein wird." Berechnungen für das Ende des Jahrhunderts weisen für Wien im "Business as usual"-Szenario von 2071 bis 2100 im Mittel 93,4 Sommertage aus. In einem dem Klimaschutz angepassten Szenario wären es 70 Tage.

Um sich an die Erwärmung anzupassen, setzte Wien in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen. Es wurden Bäume gepflanzt, Brunnen wiedereröffnet, Fassaden und Straßenbahngleise begrünt. Alte Bäume spenden am meisten Schatten und kühlen die Stadt. Bis ein neugepflanzter Baum so weit ist, dauert es bis zu 30 Jahre. Hier stellt sich die Frage: Passt das Klima dann noch zur mitteleuropäischen Vegetation?

Feigen in der Stadt

"Wenn die Temperaturen steigen, kann es sein, dass Kulturarten ausgetauscht werden müssen", sagt Gerlind Weber, die bis 2012 an der Uni für Bodenkultur das Institut für Raumplanung leitete. "Was früher angebaut wurde, kann vielleicht bald nicht mehr bestellt werden." Das betreffe vor allem wasserreiches Obst und Gemüse wie Paradeiser und Gurken. Dafür sprießen tropische und mediterrane Sorten. In Wien werden bereits Feigenbäume angebaut.

Für Weber sind die Strategien der Anpassung der Stadt an die steigenden Temperaturen zwar gut, aber "eigentlich sollten wir alles tun, damit der Klimawandel nicht fortschreitet", kritisiert sie. "Das klimafreundlichste Haus ist ein nie gebautes Gebäude." (Oona Kroisleitner, 28.7.2019)