Von Ex-Kanzler zu Ex-Kanzler: Christian Kern hat Sebastian Kurz einen Brief geschrieben.

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Wien – Der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) widerspricht dem ebenfalls ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Kurz hat am Donnerstag auf Servus TV abermals behauptet, bei der Vernichtung der Druckerfestplatten aus dem Bundeskanzleramt habe es sich um "ein normales Prozedere" gehandelt – und: "Auch die Übergabe von Kern verlief so". Kern empfindet das als rufschädigend und droht mit Klage, sollte Kurz die Aussage nicht zurückziehen.

"Damit unterstellst du mir, ich oder meine Mitarbeiter_innen hätten im Dezember 2017, als du vom Bundespräsidenten zum Bundeskanzler ernannt wurdest und ich dir die Amtsgeschäfte übergab, ebenfalls Festplatten des Bundeskanzleramtes geschreddert – und du hättest dies auch gewusst und gebilligt", schreibt Kern in einem Brief an Kurz, dessen Wortlaut er auf Facebook veröffentlicht hat.

Widerruf bis Montag gefordert

Tatsächlich seien aber alle Unterlagen, die nicht im Bundeskanzleramt gelassen wurden, "gesetzeskonform dem Staatsarchiv übergeben. Ein Schreddern von Festplatten fand nicht statt", schreibt Kern. Schon gar nicht habe er einen Mitarbeiter geschickt, um Datenträger unter falschem Namen bei einem Privatunternehmen zerstören zu lassen.

"Ich fordere dich, Sebastian, auf, deine gestrigen Aussagen sehr rasch und in geeigneter Form richtigzustellen", schreibt der Ex-Kanzler an den Ex-Kanzler. "Diese Erklärung sollte die Aussage enthalten, dass bei der Übergabe der Funktion des Bundeskanzlers durch mich an dich keine zumindest bedenklichen, aber möglicherweise sogar strafrechtlich relevanten Datenlöschungen durch mich oder Mitarbeiter_innen meines Kabinetts stattgefunden haben", fordert Kern.

Sollte Kurz dem nicht bis Montag nachkommen, wolle der ehemalige SPÖ-Chef seine "Anwälte um Prüfung bitten, ob hier gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss, um meinen guten Ruf zu wahren".

ÖVP will von Kern Verbleib von Geräten wissen

Wenig später geht die ÖVP zum Gegenangriff über. Generalsekretär Karl Nehammer richtet an Kern die Frage, ob er und seine Mitarbeiter beim Auszug aus dem Kanzleramt nicht nur Daten ordnungsgemäß gelöscht, sondern gleich ganze Geräte wie Handys oder Notebooks mitgenommen haben.

Nehammer will nun von der SPÖ wissen, wo sich diese Geräte inklusive der Daten befinden. Diese Frage hätte die ÖVP gerne von Kern und auch von SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner sowie Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda beantwortet, so der ÖVP-Generalsekretär in einer schriftlichen Stellungnahme.

Bierlein verteidigt Beamte

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat sich am Freitagabend in der Schredderaffäre hinter die Beamten des Kanzleramtes gestellt. Alle Beamten und Mitarbeiter im Bundeskanzleramt leisten "ganz hervorragende Arbeit, sind unglaublich loyal und ich stehe hinter diesen Personen", sagte Bierlein in einem Puls4-Interview. Zuvor hatte bereits die Gewerkschaft die Unterstellungen gegen die Beamten zurückgewiesen.

Inhaltlich wollte die Bundeskanzlerin zu der Affäre nicht Stellung nehmen. Sie verwies darauf, dass ein Ermittlungsverfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft laufe und sie diesem nicht vorgreifen könne. Zudem habe eine interne Evaluierung begonnen, ob dienst- oder disziplinarrechtliche Vorkehrungen zu treffen seien. (red, APA, 26.7.2019)