Eines der zerstörten Häuser in Kineta. Weile viele davon illegal gebaut wurden, gibt es kein Geld für den Wiederaufbau.

Foto: Ioannis Oikonomopoulos

Die verkohlten schwarzen Bäume stehen wie Mahnmale am Hang des Hügels. Zuweilen sieht man noch einen ausgebrannten Dachfirst und schwarze Flecken rund um die Fenster von Häusern, die im Inneren vom Feuer zerstört wurden. Kineta liegt etwa 50 Kilometer westlich von Athen und gehört zu jenen Orten, die vor einem Jahr von den schlimmsten Bränden erfasst wurden, die es in der neueren griechischen Geschichte gab.

Am 23. Juli 2018 stiegen hier schwarze Rauchsäulen am Horizont auf. Ein Feuerwehrmann alarmierte sofort seine Kollegen, doch die Rauchsäule kam dem bebauten Gelände an der Küste immer näher. Zur gleichen Zeit fing es auch östlich von Athen zu brennen an. Bald standen 68 Quadratkilometer in Flammen. Die Orte Kineta, Neos Voutzas, Mati und ein Stadtviertel der Hafenstadt Rafina waren im Ausnahmezustand. Aus Zypern, Bulgarien, ja sogar aus Spanien und Kroatien wurden Löschflugzeuge entsandt. Trotzdem kamen 102 Menschen ums Leben, darunter ein Baby, kaum sechs Monate alt, aber auch eine 95-jährige Frau. 170 Personen wurden verletzt.

Pinien wie Zündhölzer

Die Menschen waren entweder erstickt oder auf der Flucht zu Tode gestürzt. Manche versuchten, sich vor dem Rauch ins Meer zu retten und ertranken. Als Brandursache wurden defekte Stromkabel, aber auch Feuer von Anwohnern, die Zweige verbrennen wollten, ausgemacht. Außerdem funktionierten die trockenen Pinien wie Zündhölzer, die sich gegenseitig ansteckten. Diese Bäume sollten in der Region eigentlich gar nicht gepflanzt werden.

Am Dienstag, genau ein Jahr später, versammelten sich viele Bürger in Kineta, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Sie haben zwar mittlerweile jeweils 5000 Euro von der Regierung bekommen – doch das deckt bei weitem nicht die Kosten, die sie durch den Verlust ihrer Häuser aufbringen müssen. Von der Gemeinde Megara bekommen sie 500 Euro.

Viele Häuser illegal gebaut

369 Gebäude in Kineta wurden zerstört oder beschädigt. Doch das Geld für den Wiederaufbau wird nur jenen gewährt, die auch eine Baubewilligung haben, sagt der Journalist Ioannis Oikonomopoulos. Viele der Häuser, die in Brand gerieten, waren schon seit den 1970er- Jahren illegal gebaut worden. Doch durch die übliche Vetternwirtschaft, Verhaberungen und Korruption wurden einige später "legalisiert". "Im Laufe der Zeit wurden auch Wasser und Straßen als Gefälligkeiten für die Wähler – so als wären sie Kunden der Politiker – zur Verfügung gestellt", erklärt Oikonomopoulos die fahrlässige Praxis.

Die Brände im Osten Attikas hätten sicher nicht so viele Opfer hervorgerufen, wenn die Häuser laut den Bauvorschriften gefertigt worden wären und ausreichend Fluchtwege zur Verfügung gestanden hätten.

Der frühere griechische Premier Alexis Tsipras kündigte nach den Bränden deshalb an, 3200 Gebäude in der Region Attika abreißen zu lassen, die etwa illegal in Waldgebieten gebaut worden waren. In der Zwischenzeit wurden auch Straßen für Löschfahrzeuge errichtet, und dort abgeholzt, wo der Wald wegen möglicher Brände eine Gefahr darstellt. Woanders wie in Pefkonas wurde bereits einiges restauriert. Kürzlich wurde ein Kinderspielplatz wiedereröffnet. Doch Mati gleicht auch heute noch einem Geisterdorf.

Mangelnde Koordination und Kommunikation

In dem Ort wurden 20 Personen in der Verwaltung gerichtlich zur Verantwortung gezogen, weil sie nicht genügend Vorkehrungen zum Feuerschutz getroffen hatten. Später wurde auch offenbar, dass die Koordination zwischen Helfern und die Kommunikation zwischen Löschflugzeugen und der Feuerwehr nicht funktioniert.

Viele Verbrennungsopfer leiden bis heute an den schweren körperlichen Verwundungen. In Griechenland gab es diese Woche zahlreiche Gedenkveranstaltungen, um an die Katastrophe zu erinnern. In Neos Voutzas fand ein Gedenkkonzert statt, und an vielen Orten legten Bürger weiße Rosen und brennende Kerzen ins Meer.

Am Dienstag besuchte auch der neue griechische Premier Kyriakos Mitsotakis die Hafenstadt Mati, um der Opfer zu gedenken. Seine Regierung will zusätzlich 31 Millionen Euro für die Brandschäden aufbringen. Zudem sollen die Opfer künftig nichts mehr für ihre medizinische Behandlung bezahlen müssen, und die 4300 Personen, die ihre Häuser verloren haben, müssen fünf Jahre lang keine Immobiliensteuer bezahlen.

Mitsotakis will außerdem den Katastrophenschutz neu organisieren. Er versprach, dass der Notruf 112 bis Ende des Jahres funktionieren soll. (Adelheid Wölfl, 28.7.2019)