Frühere ÖVP-Obleute mögen vor Wahlen nach Mariazell oder Maria Taferl gepilgert sein. Für einen Obmann der Türkisen ist ein solches Wallfahrtsziel nicht spirituell genug. Sein Gnadenort heißt Silicon Valley, hofft er doch, es möge der Glanz dieses Ortes eine Renovatio seiner böswillig unterbrochenen Kanzlerschaft in die Wege leiten.

Treffen mit Köpfen

Zu deren Begründung könnte es geholfen haben, wusste "Österreich" doch zu berichten: Es ist nicht sein erster Besuch im Mekka der schönen neuen digitalen Welt in Kalifornien. Bereits 2015 besuchte Sebastian Kurz, damals noch Außenminister, das Silicon Valley. 2018 traf er sich dann privat mit Köpfen der digitalen Welt bei einer Klausur in Kalifornien. Also sollte doch auch sein diesmaliges Treffen mit besagten Köpfen Segen bringen.

Medienberichte in Wort und Bild brachte es jedenfalls genug, wobei dem "Kurier" die optische Heiligsprechung des Altkanzlers gelang. Das Foto in der Mittwochausgabe zeigte Kurz vor einer Google-Wand, wobei das dritte, gelbe O als Heiligenschein hinter seinem Kopf erschien. Ein bemerkenswerter Fall von Message-Control in einer Zeit, in der diese andernorts ins Wanken gerät. Worauf hinzuweisen das Blatt nicht versäumte, kontrastierte es den datenfrommen Pilgrim wiederholt mit der heimatlichen Schredder-Affäre: Die vernichteten Kanzleramtsdaten verfolgen den ÖVP-Chef bis in die USA. Kein Heiliger ohne Märtyrertum oder mindestens ein Wunder. Ein solches könnte in der Wiederherstellung der geschredderten Festplatten bestehen. Man wird sehen, mit welchen metaphysischen Kräften ausgestattet, Kurz diesmal aus den USA zurückkehrt.

Von "den Besten lernen"

Am Bemühen, solche zu erlangen, fehlte es nicht, wie die Fellners sich überschlagend berichten ließen. Kurz will in Stanford von "den Besten lernen", um mitzuhalten, meldete Isabelle Daniel on Tour mit Sebastian Kurz in den USA am Montag. An selben Tag lief in "Österreich" als Kontrastprogramm an. Serie: Straches Aufstieg & Fall. Teil 1: Vom Außenseiter zum Polit-Realo und wieder zurück.

Dienstag blickt Isabelle Daniel hinter die Kulissen des Wahlkampfes, und was sieht sie? Kurz will im Energiebereich vorne sein. Daher klar: Kurz ist eindeutig zum Lernen hier. "Von hier geht Innovation aus, als Politiker ist es wichtig, auf Veränderungen nicht nur zu reagieren, sondern sie auch zu antizipieren." Österreich kann sich auf einiges gefasst machen, wenn er wieder Kanzler ist. So weit in der Beilage Wahl-Extra.

Foto: APA

Im Hauptblatt vom selben Tag war zu erfahren: Kurz hält "Vorlesung" an US-Elite-Uni Stanford. Vor Unternehmern oder auch vor den Studenten des Executive-Programms, egal, sagte Kurz dort: "Es ist angenehm, eine kurze Pause vom Wahlkampf zu haben und hier diskutieren zu können." Für eine Vorlesung gar nicht schlecht. Ferner sagte er – vor wem ging aus dem Bericht nicht hervor: "Von hier geht Innovation aus, als Politiker ist es wichtig, aufVeränderungen nicht nur zu reagieren, sondern sie zu antizipieren." Auf dem Programm standen dann Besuche bei Google und dem Streaming-Giganten Netflix. Parallel dazu lief in "Österreich" Straches Kindheit. Teil 2: Ab ins Internat – Harte Zeiten für kleinen "Bumsti".

Horizonterweiterung statt Schmutzkübel-Kampagne

Der Mittwoch fand Kurz im Hightech-Paradies. Auf Studienreise in Kalifornien. Mit einer Fülle von Terminen erweiterte Kanzler Kurz in den USA seinen Horizont. Aber auch wenn die Stimmung zuweilen von Nachrichten aus Wien, die von der Schredder-Affäre oder der neuen Schmutzkübel-Kampagne berichten, getrübt wird, ist seine Studienreise ein voller Erfolg und sorgt für zukunftsorientierte Horizonterweiterung. Dazu gehört: So sehr er die Gründer in der Bay Area bewundert, so sehr kennt er auch die Gefahren, die von der schönen neuen digitalen Welt ausgehen. Millionen von Arbeitsplätzen könnten durch die Automatisierung verloren gehen. Kurz will frühzeitig Rezepte entwickeln. Man ist gespannt.

Im Hauptblatt dann wieder: Kurz lernt von Google, Apple & Co. VP-Chef wirbt bei Google für eine Digital-Steuer. Aber dann erhält Kurz eine einstündige Audienz beim Papst von Silicon Valley, und in der nagelneuen Zentrale von Uber in San Francisco sagte er es den Amerikanern so richtig hinein. Er sei "sicher nicht gegen Innovationen, aber dass es Wettbewerbsgerechtigkeit geben" müsse und die "Arbeitsbedingungen der Angestellten" ihm ein Anliegen seien.

Die Serie Straches Aufstieg & Fall ging nach zwei Teilen mit dem kleinen Bumsti sang- und klanglos zu Ende. Ungerecht! (Günter Traxler, 28.7.2019)