Die Bilder der vergangenen Tage waren eindeutig: Menschen, die in Paris in Brunnen und unter Sprenkelanlagen Abkühlung suchen, Wasserwerfer-Wägen, die durch Alleen fahren und Bäume besprühen, ausgetrocknete Böden, Wiesen, die alle Farben zwischen Grün und gelblichem Braun zeigen. Die Hitzewelle hatte Mittel- und Westeuropa fest im Griff, Werte zwischen 38 und 42 Grad Celsius und mehr waren keine Seltenheit. Und obwohl für das Wochenende Unwetter vorhergesagt sind, dürfte der Trend zu einem der fünf heißesten Sommer der Messgeschichte anhalten.

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Erhitztes Treiben in den Jardins du Trocadéro in Paris: Wem die außergewöhnlich hohen Temperaturen zu viel waren, der suchte einfache Abkühlung.
Foto: AP / Rafael Yaghobzadeh

Generell sind Städte von der Klimaerwärmung besonders betroffen sein. Die ZAMG spricht vom Hitzepol in der Wiener Innenstadt. Eine kürzlich im Fachjournal Plos One erschienene Studie besagt, dass Wien von einer weiteren Klimaerwärmung besonders betroffen sein dürfte. In den heißesten Monaten könne man mit einem Temperaturanstieg von plus 7,6 Grad rechnen. London, in dem laut Wetterbericht am Freitag 22 Grad Celsius gemessen wurden, könnte ähnlich warm wie Barcelona werden (derzeit 30 Grad). Schuld daran seien "Hitzeinseln", die durch versiegelte Flächen wie auf dem Wiener Schwarzenbergplatz entstehen. Experten forderten daraufhin mehr Baumpflanzungen, Bänke, Wasseranlagen und außen liegende Jalousien an Häusern (siehe auch Seite 8).

Chance auf Veränderung

Wissenschafter sagen, dass in derlei Prognosen vielleicht die Chance auf Veränderung liegt, weil auch jene vom Wohlstand verwöhnten Stadtmenschen, die hitzeresistent sind und die Vorteile der Temperaturen in den Vordergrund stellen (Tourismus-Boom, Besuche von Schwimmbädern, Eissalons und Heurigen), an ihre Grenzen stoßen – und sich für die offensichtlichen negativen Folgen des Klimawandels zu interessieren beginnen. Statistiken der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) besagen, dass 2018 mehr Hitzetote (766 Fälle wurden gezählt) als Verkehrstote (400) zu beklagen waren. Es handelt sich dabei meist um durch Krankheiten vorbelastete Menschen, deren Physis durch die hohen Temperaturen noch mehr angegriffen wurde.

Umweltmediziner wie Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien sehen auch verstärkt psychische Probleme. Die Aussicht, der Hitze nicht entkommen zu können, sei möglicherweise ein Auslöser für Panikattacken, Depressionen und – im Fall von wirtschaftlich betroffenen – Existenzängsten. Hutter sagt: "Dürre, Waldbrände und in der Folge auch Hagel und Unwetter sowie andere Wetterkapriolen belasten die Landwirtschaft schwer – und damit auch die davon lebenden Menschen."

Der Austrieb des Weines kommt früher. Schäden durch Spätfröste im Frühjahr sind die Folge
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Der Klimawandel verkürzt die Winter, der Austrieb von Obst und Wein findet daher viel früher als im vergangenen Jahrhundert statt. Franz Prettenthaler von Joanneum Research sagt: "Vier Wochen zu früh in den vergangenen 30 Jahren." Da es dennoch zu Spätfrösten durch Wettereinbrüche wie im Mai kommen kann, sind Obst- und Weinbauern von umfangreichen Schäden betroffen: Im Jahr 2016 kam es im Obst- und Weinbau zu Gesamtschäden von 200 Millionen Euro.

Zu heiß für den hiesigen Wein wird es wohl noch lange nicht. Der Experte glaubt, dass nach 30 bis 40 Jahren wohl Wein angebaut werden dürfte, den es derzeit nur in Südfrankreich gibt. Akute Probleme sieht er eher im Gemüseanbau auf Österreich zukommen: Gemüse müsse hierzulande mit Trinkwasserqualität bewässert werden, was zwar derzeit noch hinsichtlich der Menge kein Problem zu sein scheint.

Großflächige Bewässerung

Die Landwirtschaft sei jedoch auf großflächige Bewässerungen bei lang anhaltender Hitze nicht eingestellt. Besonders betroffen sei auch die Forstwirtschaft: Der Fichtennutzwald werde durch lang anhaltendes heißes Wetter vom Borkenkäfer mehr als bisher in Mitleidenschaft gezogen.

Die Bäume schütten in der Hitze nämlich eine Art Stresshormon aus, das den Schädling leider anlockt: "Er kann letztlich mehrere Generationen zur Reife bringen, das Schadenspotenzial steigt exponentiell", sagt Prettenthaler. Im Grunde könne die Forstwirtschaft dem Borkenkäfer nur etwas entgegensetzen, wenn sie resistente Bäume pflanzt. Das werde natürlich vermehrt versucht. Derzeit herrscht aber Krisenstimmung. Waldbesitzer sprechen von einer Jahrhundertkatastrophe: 2018 und 2019 sollen laut einem Bericht der Zeit allein in Deutschland 70 Millionen Festmeter Schadholz anfallen.

Ein durch Borkenkäfer zerstörter Baum
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Ein Bild ist derzeit auch sehr oft zu sehen, es wurde nicht in Europa aufgenommen: In der Arktis wüten gigantische Waldbrände, in Alaska, Kanada und Sibirien gibt es inzwischen hunderte Brandherde. Brände seien prinzipiell nichts Ungewöhnliches, sagen Forscher, sie finden derzeit aber früher und im Ausmaß deutlich stärker als sonst statt. Und sie setzen große Mengen CO2 in die Atmosphäre frei, der Wind trägt Feinstaub mehrere tausend Kilometer weit.

In der Arktis gibt es auch große Flächen Permafrostböden, der, wie man weiß, durch den Klimawandel deutlich schneller auftaut als bisher angenommen. Das könnte schwerwiegende Folgen für das Weltklima haben: Die Böden sind ein riesiger Kohlendioxidspeicher. Schätzungen zufolge ist die Menge im gesamten Permafrostboden doppelt so groß wie die, die derzeit in unserer Atmosphäre existieren. Durch das Auftauen könnte die Welttemperatur noch schneller steigen als bisher angenommen.
(Peter Illetschko, 27.7.2019)