Einst kamen nach Österreich Touristen, um den Eisernen Vorhang an der ungarischen oder tschechischen Grenze mit leichtem Gruseln zu betrachten. Der Autor dieser Zeilen hat selbst in den 70er- und 80er-Jahren italienische oder amerikanische Freunde und/oder Kollegen an die Grenze mit dem Stacheldraht und den Wachtürmen geführt. Und: Wer in Berlin jemals die Mauer und die Flutlichtanlagen und die Todeszone mitten in der Stadt gesehen hat, der konnte erst eine Ahnung kriegen, was (kommunistische) Diktatur bedeutet.

Heute will Donald Trump eine "beautiful wall" an der Grenze zu Mexiko bauen, Matteo Salvini einen Zaun an der Nordostgrenze zu Slowenien, und Herbert Kickl wurde, Ibiza sei Dank, nur knapp daran gehindert, einen Zaun um Österreichs Süd- und Ostgrenze zu bauen. Hätte eh nur eine Milliarde Euro gekostet, und es wäre, wie Kickl großzügig konzediert, nicht ganz Österreich eingezäunt worden. Aber an "Druckstellen" wäre es schon ein ordentlicher Zaun mit Rasierklingen-Draht geworden, nicht so ein "Hasenstall"-Zaun, wie Kickl versichert.

Herbert Kickls Zaun wäre an der Südgrenze gewesen, wo täglich ein Massenansturm von Migranten aus Bosnien befürchtet wird.
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Rechtsextreme, und zu denen kann man Trump, Salvini und Kickl getrost zählen, lieben Zäune. Nach innen und nach außen. Sie lieben es, fremde Menschen einzusperren (Stichwort: Kickls "Konzentrieren" von Asylwebern, Trumps Käfige für Kleinkinder) und, selbstverständlich, sie mittels Grenzzäunen auszusperren. Dass diese höchstens dort halbwegs funktionieren, wo es um ganz überschaubare Kleinräume geht, wie etwa in der spanischen Enklave Ceuta in Marokko, stört sie nicht.

Massenansturm von Migranten

Kickls "Druckpunkte" wären an der Südgrenze gewesen, wo täglich ein Massenansturm von Migranten aus Bosnien befürchtet wird, der aber nicht kommt. Die "neue Route" über Albanien gibt es auch nicht. Sollte es abermals zu einem Ansturm von Zehntausenden kommen und würde Kickls Zaun schon existieren, dann stünde er an den üblichen Zugangsrouten. Theoretisch könnten anderswo Tausende durchmarschieren, und Kickls Sondereinheit "Puma" könnte mehr oder minder nur zuschauen. Oder sie müsste schießen. Ähnlich an der burgenländisch-ungarischen Grenze.

Selbstverständlich kann man nicht hilflos mit den Schultern zucken, falls es wieder zu einer Massenmigration kommt. Aber Kickl & Co geht es nicht um Lösungen, sondern um eine Hysterisierung und Radikalisierung. Seine Maßnahmen – Aufstellung von Sondertruppen, Ausrüstung der Streifenpolizei mit Sturmgewehren, (nach subjektiver Empfindung vieler Bürger) lauter gestellte Polizeisirenen, Hubschrauber über jeder noch so harmlosen Demo – sollten ein Gefühl der Bedrohung erzeugen. Der Kickl-Zaun wäre nichts anderes gewesen – Gewöhnung an ein autoritäres Regime mit "Sicherheits"-Kulisse.

Deshalb war es gut, dass Kickl aus dem Amt scheiden musste, und deshalb darf er kein neues Ministeramt bekommen. Weil er aber ein integraler Bestandteil der FPÖ ist, sollte am besten niemand auf die Idee kommen, diese Partei wieder in eine Regierung zu lassen. (Hans Rauscher, 26.7.2019)