Hahn wird voraussichtlich zum dritten Mal EU-Kommissar.

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Brüssel/Wien – EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn will mit Vorbeitrittshilfen die Rückwanderung in die EU-Kandidatenländer am Balkan fördern. Er habe sein Team mit der Entwicklung eines Konzeptes beauftragt, das Anschubfinanzierungen für Neugründungen biete, erklärte Hahn am Freitag der APA.

Die Abwanderung von jungen, gut ausgebildeten Arbeitskräften in einkommensstärkere Regionen, allen voran die EU, ist in allen Balkanländern ein Problem. Hahn, der von Österreich für die kommende Legislaturperiode zum dritten Mal als EU-Kommissar nominiert wurde, besuchte am Donnerstag und Freitag die EU-Beitrittskandidaten Nordmazedonien und Serbien.

Der serbische Staatspräsident Aleksandar Vučić habe bei diesem Anlass berichtet, dass es in Serbien bereits erste Rückwanderer gebe, so Hahn, der darin ein Resultat der "positiven Spirale nach oben" sieht. Serbien werde den bisherigen Spitzenreiter Montenegro in punkto Durchschnittseinkommen überholen. Zudem mangle es aufgrund von Firmenansiedelungen, zum Beispiel in der Automobilbranche, bereits an Fachkräften, erklärte er.

Schnellere Reformprozesse gefordert

Hahn wertet die Rückkehr von Auswanderern als Anzeichen, dass ein Land wirtschaftlich auf einem guten Weg ist. Vučić gegenüber forderte der EU-Kommissar die Beschleunigung von Reformprozessen und die Sicherstellung der Rechtsstaatlichkeit ein. Als positiv vermerkte er, dass in Belgrad unter Einbeziehung von öffentlichen und privaten Akteuren an einer Medienreform gearbeitet werde, die laut Regierungschefin Ana Brnabic Transparenz und Unabhängigkeit garantieren soll.

Das größte Hindernis für Serbien auf dem Weg in die EU sind jedoch die bilateralen Beziehungen zum Kosovo, den Belgrad nicht anerkennt. Der Normalisierungsdialog mit Pristina liegt derzeit auf Eis, der Kosovo hat Strafzölle für die Waren aus Serbien eingeführt. Hahn ist jedoch überzeugt, dass in dieser Hinsicht Fortschritte gemacht werden könne, sobald der Kosovo wieder eine handlungsfähige Regierung habe.

Den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien erwartet der EU-Kommissar im Oktober. "Das Land hat bewerkenswerte Fortschritte gemacht und das historische Prespa-Abkommen erzielt, das einen 30-jährigen Namensstreit mit Griechenland beendete", stellt er fest. Wichtig sei noch die bevorstehende Umbildung der mit Korruptionsaffären betrauten Sonderstaatsanwaltschaft.

Der 62-jährige, der die Integration der Sonderstaatsanwaltschaft in das reguläre Justizsystem, wie von der Regierung Nordmazedoniens vorgeschlagen, befürwortet, ist nach Gesprächen mit Regierung und Opposition sehr zuversichtlich, dass die "rote Linie" der EU eingehalten wird. Demnach dürfen von der Sonderstaatsanwaltschaft begonnene Verfahren "nicht einschlafen", sondern müssten weitergeführt werden. Dies wäre ein Beleg für die Normalisierung des Justizbereiches.

Dritte Amtsperiode als Kommissar

Hahn sieht seiner dritten Amtsperiode als EU-Kommissar entgegen. Rückblickend ist er stolz, dass sich aufgrund seines Engagements im Umgang mit den Nachbar- und Balkanländern das Konzept "Wir exportieren Stabilität oder importieren Instabilität" durchgesetzt hat. Dadurch, dass sich das Verständnis entwickelt habe, dass die EU von der Region etwas zurückbekomme und die Investitionen nicht mehr als verloren angesehen würden, habe sich die Qualität der Projekte verbessert, so Hahn.

"Was wir in Nordmazedonien erreicht haben, trägt auch meine Handschrift", erklärte er. Das Land ist für ihn ein gutes Beispiel dafür, was die EU als "soft power" (dt. sanfte Macht) erreichen könne. Unter "Soft Power" wird nichtmilitärische Einflussnahme in den internationalen Beziehungen durch politische und kulturelle Attraktivität, Handels- und Entwicklungspolitik verstanden. "Auch in Moldawien habe ich es geschafft, den Übergang zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in die Wege zu leiten", führte er an.

"Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich gerne wieder im Außenbereich tätig wäre, in den ich viel Energie und Engagement investiert und mir ein Netzwerk aufgebaut habe", sagte Hahn in Hinblick auf seine erneute Nominierung als EU-Kommissar. Die Entscheidung über das Ressort liege jedoch bei der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Als die größten Errungenschaften der Europäischen Kommission während seiner bisherigen Amtszeiten – zunächst als Regional- und dann als Nachbarschafts- und Erweiterungskommissar – sieht er die Bewältigung der Finanzkrise unter EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso (Kommission Barroso II) sowie die Maßnahmen zur Bewältigung der sogenannten Migrationskrise unter Führung des scheidenden Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker an. Auch die führende Rolle der EU bei der Bekämpfung des Klimawandels strich Hahn hervor. (APA, 27.7.2019)