Gerhard Weis verstarb im Alter von 80 Jahren.

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Wien – Der ehemalige ORF-Generalintendant Gerhard Weis ist tot. Den ORF prägt er bis heute: Es war der eigentlich ziemlich Bürgerliche, der 1998 einen gewissen Alexander Wrabetz zum Finanzdirektor des ORF machte, um mit den Stimmen der SPÖ ORF-Chef zu werden. Und bei General Gerhard Weis perfektionierte dieser Alexander Wrabetz das polittaktische Geschick, um ab 2007 bis heute der längstdienende ORF-Chef zu werden.

Abgelöst 2001 von ÖVP und FPÖ

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Wrabetz gelang, woran Weis scheiterte: eine Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ an der Spitze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu überstehen. 2001 beschlossen die Regierungsparteien unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) ein neues ORF-Gesetz, mit dem sie Weis vorzeitig ablösten und ihre Vertraute Monika Lindner an die Regler von Österreichs zugleich weitaus größtem Medienkonzern ORF brachten. Wrabetz schlug 2006 zurück und formte mit großer polittaktischer Weisheit eine Regenbogenkoalition aus SPÖ, FPÖ, BZÖ, Grünen und auch bürgerlichen Unabhängigen im ORF-Stiftungsrat, um Lindner zu stürzen. Türkis-Blau unter Sebastian Kurz (ÖVP) war nicht schnell genug für ein neues ORF-Gesetz vor dem Ibiza-Gate.

Intendant mit Kreiskys Gesetz

Weis, Mitglied des ÖVP-nahen Cartellverbands und Tarockpartner auch bürgerlicher Kaliber, kannte die politische Mechanik – neues ORF-Gesetz, neuer ORF-Chef – gut: Als Chef der ORF-Öffentlichkeitsarbeit (und Chef Lindners) ging er für Gerd Bachers ORF in die von Kanzler Bruno Kreisky einberufenen Expertenverhandlungen für ein neues ORF-Gesetz. Mit dem ORF-Gesetz 1974 hebelte Kreisky Bacher von der ORF-Spitze – und Gerhard Weis wurde Intendant des ersten der beiden nun getrennt geführten TV-Programme des ORF.

Als Bacher 1978 zurückkehrte, kehrte Weis zu Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmensplanung zurück, wurde Chefredakteur in der Generalintendanz. Bei Bachers zweiter Rückkehr 1992 versetzte er Weis ins Landesstudio Wien. Erst der Sozialdemokrat Gerhard Zeiler machte Weis wieder zum Intendanten – fürs ORF-Radio – und 1997 zusätzlich zum Generalsekretär, im ORF stets die Aufgabe eines Politverbinders. Als Zeiler 1998 zu RTL wechselt, übernimmt Weis die ORF-Generaldirektion – gegen Wolfgang Schüssels ÖVP-Kandidaten Peter Radel, bis dahin Finanzdirektor des ORF. Ein Kanzler Schüssel wollte das vergelten.

Nach kurzer schwerer Krankheit

Nach kurzer schwerer Krankheit ist der Journalist am Freitag im Kreis seiner Familie im Alter von 80 Jahren verstorben, teilte der ORF am Samstag mit. Der Sender würdigte Weis als einen "großen, besonnenen Denker und zukunftsweisenden Medienmanager, der Radio und Fernsehen des Landes wesentlich geprägt" habe.

"Gerhard Weis war einer der großen Architekten eines modernen, vielfältigen und relevanten ORF", zeigte sich Wrabetz "tief betroffen" vom Tod seines Vorgängers. Er habe nicht nur die Regionalisierung und "Verösterreicherung" vorangetrieben, sondern den ORF auch als Fenster zur Welt etwa mit der Teilnahme an 3sat aufgebaut. Weis habe Info-, Kultur- und Wissenschaftssäulen errichtet, auf denen das ORF-Programm heutzutage noch ruht. Und er habe in einer Zeit der schnell wachsenden Konkurrenz die Grundsteine für die erfolgreiche Flottenstrategie des Unternehmens gelegt.

"Ohne Gerhard Weis wäre der ORF heute nicht einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Sender Europas. Er war ein Kämpfer für einen starken ORF und hat sich immer aufrecht für zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit voller Energie eingesetzt. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie", sagte Wrabetz.

Zeitungsjournalist

Gerhard Weis wurde am 1. Oktober 1938 in Wien-Brigittenau geboren. Seine Karriere begann er 1958 als Zeitungsjournalist. 1967 kam er zum ORF – zunächst als innenpolitischer Redakteur, später als Ressortleiter Innenpolitik. Ab 1973 leitete er die ORF-Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, von 1974 bis 1978 war er Intendant für das erste Fernsehprogramm. Es entstanden Serien wie die "Alpensaga" sowie die Magazine "Schilling" und "Land der Berge". 1979 folgte die Leitung der Abteilung "Öffentlichkeitsarbeit, Koordination und Unternehmensplanung" in der ORF-Generalintendanz.

Weis war während dieser Zeit auch Chefredakteur in der Generalintendanz. Die Verwirklichung des Gemeinschaftsprojekts 3sat, die Gründung des Teletexts, der Minderheitenredaktion und die Einführung der Föderalismusschiene "Bundesland heute" fielen in diese Periode. Im März 1992 wurde Weis zum Intendanten des Landesstudios Wien bestellt. Ab Oktober 1994 war er Hörfunkintendant, ab Februar 1997 darüber hinaus Generalsekretär.

Profil gestärkt

1998 wurde Weis zum Generalintendanten gewählt. In seiner Amtszeit (bis 2001) hat er das öffentlich-rechtliche Profil des ORF gestärkt: Information, Wissenschaft und Kultur wurden im Fernsehen ausgebaut. Im Radio wurde mit FM4 ein neues, vorwiegend fremdsprachiges Jugendkulturradio aus der Taufe gehoben. "Report international", "Euro Austria", "Bundesland heute" am Wochenende, aber auch die "Barbara Karlich Show", die "Millionenshow" und "Taxi Orange" waren Fernsehformate, die unter Weis auf Sendung gingen.

Dass dem Bildungsbürger Gerhard Weis Kunst und Kultur ein besonderes Anliegen waren, spiegelt sich auch in seinem Aufsichtsratsvorsitz bei den Vereinigten Bühnen Wien wider. Bis zuletzt war er auch Vorsitzender des Kulturbeirats von ORF 3.

Die aktuellen "ZiB"-Ausgaben und die Nachrichtensendungen und Journale der ORF-Radios gedachten Gerhard Weis'. ORF 3 erinnert am Montag um 19.45 Uhr in einem "Kultur heute spezial".

Politik und Kultur trauert

"Gerhard Weis war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des ORF", sagte FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein. "Gerhard Weis hat durch seine 30-jährige Karriere den ORF wie kein Zweiter gekannt und in unterschiedlichen Funktionen nachhaltig geprägt", erklärte Ex-Medienminister Gernot Blümel (ÖVP). "Gerhard Weis war einer der innovativsten Medienmacher des Landes und hat sich große Verdienste um die Weiterentwicklung des ORF erworben", resümierte SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sagte: "Gerhard Weis war eine große Persönlichkeit mit journalistischem und gesellschaftspolitischem Weitblick."

Auch die Vereinigten Bühnen Wien verabschieden sich in tiefer Trauer in einer Presseaussendung "von diesem herausragenden Medien- und Kulturmanager und Wegbegleiter". (Harald Fidler, APA, 27.7.2019)