Kilometer haben die Spitzenkandidaten schon viele gemacht. Die ersten Touren durch die Bundesländer wurden absolviert, auch wenn diese noch nicht unter dem offiziellen Titel Wahlkampf laufen. Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat sogar einen Abstecher ins Silicon Valley eingestreut, um sich dort mit führenden IT-Managern zu treffen und – ein angenehmer Nebeneffekt – ein paar wahlkampftaugliche Fotos mit nach Hause zu bringen. Aufmerksamkeit ist schließlich die härteste Währung im Wahlkampf.

Noch fehlt im diesjährigen Wahlkampf das dominierende Thema. 2017 war das Migration.
Illustration: Aydogdu Fatih

Ein alles dominierendes Thema wie bei der letzten Wahl 2017 mit Migration gibt es dieses Mal nicht – zumindest noch nicht. Die inhaltliche Auseinandersetzung wurde bis Anfang Juli vom freien Spiel der Kräfte im Parlament geprägt, das – mit wechselnden Mehrheiten – zu zahlreichen Beschlüssen geführt hat. Es war für alle etwas dabei: Das Pflegegeld wurde erhöht, die Parteifinanzierung neu geregelt, Rauchen in Lokalen verboten und, und, und.

Alle wollen öko sein

Fragt man die Österreicher und Österreicherinnen, welche Themen wichtig sind, dann wird der Klimawandel derzeit als Erstes genannt. Das schlägt sich natürlich auch auf die Wahlkampagnen nieder. Nicht nur die Grünen, die das Umweltthema traditionell besetzen, versuchen mit entsprechenden Vorschlägen zu punkten.

ÖVP-Chef Kurz hat Wasserstoff als alternativen Treibstoff entdeckt und plädiert für eine Ökologisierung der Pendlerpauschale, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kupferte von den Grünen die Idee eines Klimatickets ab, mit dem man um 1100 Euro pro Jahr alle öffentliche Verkehrsmittel in ganz Österreich benutzen können soll. Die Neos werben mit ihrem Modell einer CO2-Steuer um Wählerstimmen, Peter Pilz will Inlandsflüge verbieten, und FPÖ-Chef Norbert Hofer räumt neuerdings ein, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Immerhin.

Schredder-Gate

Und dann gibt es noch jene Themen, die einfach passieren. Wie die Schredder-Affäre, die die Wahlkampfmanager tagelang auf Trab halten, ohne dass sie ihren Möchtegern-Drehbüchern entspringen. Die ÖVP ist in Erklärungsnot und macht sich plötzlich Sorgen, dass der aktuelle Wahlkampf wieder schmutzig werden könnte. In diversen Aussendungen wird bereits vor Dirty oder Negative Campaigning wie 2017 gewarnt. Damals sorgte die Silberstein-Affäre im Finale der Wahlauseinandersetzung wochenlang für Schlagzeilen. Der von der SPÖ beauftragte Berater hatte versucht, mit antisemitischen Seiten und Fake-Profilen auf Facebook Stimmung gegen Kurz zu machen.

Auch in diesem Wahlkampf geistert bereits wieder das Fake-Gespenst herum. Laut ÖVP sind aufgetauchte Mails, die ihr Wissen über die Ibiza-Videos unterstellten, eine plumpe Fälschung. Am Freitag bezeichnete sie eine vom Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer in Umlauf gebrachte Mail über vermeintliche "außerordentliche Spenden" an die EU-Abgeordnete Barbara Thaler als Fake und kündigte Klagen an. Am Sonntag widmete sich Kurz dann einer Schmuddelseite aus dem Internet. "Die letzten Tage haben das Ausmaß an Grauslichkeit deutlich gemacht, das dieser Wahlkampf mit sich bringen wird", schreibt Kurz. Er glaubt, dass man damit seine Politik verhindern will.

Stellt sich die Frage: Bringt es etwas, negative, untergriffige oder gar rufschädigende Botschaften zu streuen? Die Politikwissenschaft hat darauf keine eindeutige Antwort, weiß Peter Filzmaier zu berichten. "Negative Campaigning bringt zwar Aufmerksamkeit und einen höheren Erinnerungswert, ob es auch Stimmen bringt, ist aber nicht bewiesen." Filzmaier: "Der Solidarisierungseffekt mit dem Angegriffenen ist oft stärker als der Schaden für den Angegriffenen."

Gar nicht so negativ

In der medialen Berichterstattung schlagen sich Kritik und gegenseitige Attacken aber erfahrungsgemäß stärker nieder. Das heißt aber nicht, dass die Wahlkämpfe tatsächlich immer negativer werden. Eher im Gegenteil, erklärt Martin Haselmayer von der Uni Wien. Die offiziellen Aussendungen der Parteien wiesen im Wahlkampf 2017 die geringste Negativität seit 1999 aus, zeigt eine aktuelle Untersuchung. Das kann aber auch mit der schwindenden Bedeutung von Presseaussendungen zusammenhängen.

Auf Facebook hatten 2017 rund 26 Prozent der Parteipostings eine negative Aussage. Den niedrigsten Wert gab es bei der ÖVP (zwei Prozent), den höchsten bei der FPÖ (52 Prozent). Hier sind Vergleiche naturgemäß schwierig, weil Social Media erst in jüngerer Vergangenheit eine größere Rolle zu spielen begonnen haben.

Lüge und Betrug

Plakatanalysen zeigen im historischen Vergleich ebenfalls eine eher abnehmende Negativität. Auch wenn man das heute vielleicht nicht so recht glauben mag, aber die offiziellen Slogans waren in den 50er- und 60er Jahren viel aggressiver, analysiert die Politikwissenschafterin Lore Hayek von der Uni Innsbruck.

Die großen Parteien SPÖ und ÖVP unterstellten sich damals regelmäßig Lüge und Betrug. Heute ist politische Werbung in aller Regel anders aufgebaut. "Plakatflächen sind zu teuer, um sich mit dem politischen Gegner zu beschäftigen", meint Hayek. "Die mediale Wahrnehmung ist meist so, dass der gerade aktuelle Wahlkampf als der schmutzigste aller Zeiten ausgerufen wird. Tatsächlich war der Ton früher aber viel rauer." (Günther Oswald, 28.7.2019)