Übergewicht und Adipositas können auch mit dem Immunsystem zusammenhängen, vermuten Forscher.

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Das Immunsystem beeinflusst möglicherweise Mikroben im Darm, die vor Übergewicht schützen, indem sie die Aufnahme von Fetten regulieren. Das berichten Forscher in einer Studie anhand des Mausmodells, die nun im Fachjournal "Science" erschienen ist.

In früheren Untersuchungen wurde das Mikrobiom des Darmes bereits mit unterschiedlichen Einflüssen auf die Gesundheit des Menschen in Zusammenhang gebracht. So soll eine veränderte Zusammensetzung der Mikroben im Darm unter anderem zu Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Übergewicht beitragen.

In der aktuellen Studie fanden US-Forscher um Charisse Petersen von der School of Medicine der University of Utah in Mäuseexperimenten nun heraus, dass das Immunsystem die Darmmikroben direkt beeinflusst und damit deren Fettaufnahme reguliert. Die Zellen des Immunsystems sorgen dafür, dass Antikörper des Typs Immunglobulin A (IgA) in den Darm entlassen werden und dort schädliche Bakterien erkennen und eindämmen. Dadurch können sich die nützlichen Bakterien, etwa Vertreter der Familie der Clostridien, vermehren. Einige Clostridien sorgen dafür, dass die Darmzellen nicht übermäßig viele Fette aufnehmen, und kontrollieren damit den gesunden Stoffwechsel des Menschen.

Im Krankheitsfall weniger Clostridien

Konkret beobachteten Petersen und sein Team, dass Mäuse mit einem schwachen Immunsystem mit derselben Ernährung und unter denselben Lebensbedingungen deutlich schwerer wurden als gentechnisch nicht veränderte Labormäuse. Die Wissenschafter ziehen daraus den Schluss, dass das geschwächte Immunsystem das Mikrobiom des Darms negativ beeinflusst.

Die anschließende Untersuchung zeigte, dass bei Mäusen mit einem geschwächten Immunsystem die Antikörper nicht mehr in demselben Umfang an die Darmbakterien andocken wie bei Tieren mit einem vollkommen intakten Immunsystem. Dadurch gerät das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht. Eine Analyse der Zusammensetzung der Darmflora zeigte, dass bei den gentechnisch veränderten Mäusen kaum gutartige Bakterienstämme der Klasse Clostridia vorhanden waren, dafür besonders viele Desulfovibrio-Bakterien.

Laut den Forschern sorgt ein Mangel an Clostridien dafür, dass der Darm mehr Fett aufnimmt. Bei den gentechnisch veränderten Labormäusen, die aufgrund des geschwächten Immunsystems kaum Clostridien im Darm hatten, bestätigten auch die deutlich erhöhten Blutfettwerte diese Vermutung. Dass sich der Fettstoffwechsel je nach Bakteriengemeinschaft ändert, könnte aber auch den nützlichen Hintergrund haben, dass im Krankheitsfall der Körper mehr Energie benötigt und der Darm deshalb mehr Fett aufnimmt.

Mit schlechten Bakterien anstecken

Eine ungünstige Darmbesiedelung ist sogar ansteckend, schreiben die Studienautoren: Es konnte beobachtet werden, dass eine nicht ausbalancierte Darmbesiedelung auf andere Mäuse übertragen werden kann, da nicht gentechnisch veränderte Mäuse, die sich Käfige mit gentechnisch veränderten Tieren teilten, ebenfalls dicker wurden.

"Neu ist an dieser Arbeit, dass an Mäusen gezeigt werden konnte, dass ein Defekt im Immunsystem, der zu einer Verminderung an Immunglobulin A im Darm führt, die Mikrobiomveränderungen auslöst, die dann zu Fettleibigkeit führen, indem der Fettstoffwechsel in den Darmzellen gestört wird. Im Gegensatz zu vielen bisher durchgeführten Studien haben die Studienautoren zumindest teilweise die kausalen Zusammenhänge nachweisen können", betont Vanessa Stadlbauer-Köllner, Gastroenterologin von der Med-Uni Graz.

Maus ist nicht Mensch

Die Studienautoren vermuten, dass sich auch bei Personen mit einem geschwächten Immunsystem, die weniger Antikörper in den Darm ausschütten können, die schädlichen Bakterien unter Umständen stärker vermehren. Das könnte für Menschen gelten, die aufgrund einer Erbkrankheit ein defektes Immunsystem haben. Auch für Patienten, deren Immunsystem wegen bereits bestehenden Übergewichts geschwächt ist, könnten die Ergebnisse relevant sein, spekulieren die Forscher.

Bisher ist allerdings unklar, ob sich die Erkenntnisse auf den Menschen anwenden lassen. "Die Studien wurden an Mäusen durchgeführt, die zum Teil schwere genetische Defekte hatten. Die Übertragbarkeit auf den Menschen ist daher noch offen", sagt Stadlbauer-Köllner. (red, 30.7.2019)