Kurzaufenthalt von Max Verstappen.

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Nicht einmal die Zeit einer Bankomatzahlung für das Reifenumstecken in der Werkstatt benötigen die Mechaniker von Red Bull für den Wechsel aller Reifen während eines Boxenstopps in der Formel 1. Am Sonntag verbesserte die Crew des österreichisch-britischen Rennstalls ihren erst zwei Wochen alten Weltrekord um drei Hundertstel auf 1,88 Sekunden zwischen Stillstand und Abfahrt des Boliden. Die Bezaubernde Jeannie hätte es mit Augenblinzeln nur unwesentlich schneller geschafft.

In Silverstone hatte der Franzose Pierre Gasly profitiert, auf dem Hockenheimring war es der spätere Sieger Max Verstappen aus den Niederlanden. Beim Grand Prix von Großbritannien war ein schon fast sechs Jahre alter Rennrekord gefallen. Am 17. November 2013 hatte Red Bull den Australier Mark Webber in Austin, Texas, nach einen 1,92 Sekunden dauernden Stopp wieder auf die Strecke geschickt – die Zeit des ersten rennmäßigen Reifenwechsels unter zwei Sekunden konnte erst drei Jahre später in Aserbaidschan von Williams zugunsten von Felipe Massa eingestellt werden. In Trockentests waren schon mehrere Teams davor unter die Zwei-Sekunden-Marke gekommen.

Nicht nur bei Red Bull sind 14 Personen unmittelbar am Reifenwechsel beteiligt. Pro Rad sind drei Mechaniker im Einsatz – einer ist mit dem pneumatischen Schlagschrauber zugange, die beiden anderen hantieren mit den Pneus. Dazu kommen die beiden für das Aufbocken des Boliden zuständigen Mitarbeiter. Bis zu zehn zusätzliche Personen sind für diverse andere Tätigkeiten am Wagen sowie die Überwachung des gesamten Vorgangs abgestellt. Boxenstopps werden intensiv geübt, je nach Einsatzgebiet ist Krafttraining der Mechaniker täglich Brot. Die Reifen wiegen mit Felge rund zehn Kilogramm, das Hantieren mit dem Schlagschrauber wiegt schwerer.

Nach jedem Grand Prix werden die Stopps gründlich analysiert und auf Verbesserungsmöglichkeiten abgeklopft. Der sogenannte Lollipop-Mann, jener Mechaniker, der dem Piloten mit einem Schild in Lutscherform das Zeichen zum Abrauschen gibt, ist Geschichte. Ampelsysteme, die den Piloten freie Fahrt signalisieren, wenn die Sensoren aller Schlagschrauber und Wagenheber Bereitschaft melden, beugen auch Missverständnissen vor.

Die Jagd nach dem schnellsten Stopp war 2010 durch das Nachtankverbot erst richtig in Gang gekommen. Davor richtete sich die Standzeit nach der Menge des benötigten Sprits. War die im Auto, waren die Reifenwechsel schon längst erledigt.

Ziel aller Teams sind nicht Rekordzeiten, sondern gleichmäßig flotte Boxenstopps. Ferrari gilt diesbezüglich von allen Spitzenteams am anfälligsten, Mercedes ist Red Bull normalerweise auf der Spur, war aber ausgerechnet beim 200. Grand Prix seiner Geschichte schwer indisponiert – nicht nur in der Box. Teamchef Toto Wolff sprach von einem "Armageddon-Wochenende" auf dem Hockenheimring. Lediglich zwei Punkte für den kränkelnden Weltmeister Lewis Hamilton hatten beim Grand Prix von Deutschland herausgeschaut. Dass die Pleite schon am Sonntag (15.10 Uhr) in Ungarn wettgemacht werden kann, ist immerhin ein Trost. (Sigi Lützow, 29.7.2019)