Planarien besitzen ein erstaunliches Regenerationsvermögen.

Foto: Eduard Solà

Planarien zählen zu den Strudelwürmern (Turbellaria), die wiederum innerhalb der Plattwürmer (Plathelminthes) eine eigene Klasse bilden. Das Besondere an diesen Kreaturen ist ihre außerordentliche Anpassungsfähigkeit. Aufgrund ihrer hohen Anzahl an Stammzellen können Planarien selbst aus einem kleinen Teilstück ihres Körpers den kompletten Organismus regenerieren – eine Fähigkeit, die fraglos auch für die menschliche Medizin interessant wäre. Ein internationales Forscherteam hat sich den Stammzellpool von Planarien im Hungerzustand nun deshalb genauer angesehen.

Die erstaunliche Regenerationsfähigkeit von Planarien ist auf ihren somatischen Stammzellpool zurückzuführen, der unendlich oft alte oder geschädigte Zellen ersetzen kann. Da in ihrer natürlichen Umgebung oft Phasen der Nahrungsknappheit auftreten, haben diese Plattwürmer überdies einzigartige Überlebensstrategien für Hungerphasen entwickelt: Sie schrumpfen und wachsen erst dann wieder, wenn Futter vorhanden ist. Dabei bleibt ihr Stammzellpool immer gleich. Auf Grund dieser Anpassungsfähigkeit stoßen sie in der Alternsforschung als Modellorganismus auf besonderes Interesse.

Planarien im Hungerzustand

Ein Forscherteam um Cristina González-Estévez vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und dem Spanish National Center for Cardiovascular Research in Madrid, Spanien, hat den Stammzellpool in Planarien im Hungerzustand nun genauer untersucht. "Die zentrale Frage ist, wie dieser Zustand die somatischen Stammzellen reguliert", sagt González-Estévez. Man wusste bereits, dass ein solcher Zustand einen positiven Einfluss auf Stammzellen hat, aber die grundlegenden molekularen Mechanismen waren bisher unbekannt. Planarien besitzen aufgrund des hohen Anteils an Stammzellen eine hohe Regenerationsfähigkeit und sind somit ein passendes Modell zur Untersuchung dieser Fragestellung. Relevant sind dabei Telomere, die bei den Planarien besonders lang sind.

Telomere sind eine Art Schutzkappen an den Enden von Chromosomen, die diese vor Schädigung und Verschmelzung mit anderen Chromosomen schützen. Diese Schutzkappen werden im Laufe der Zeit mit jeder Zellteilung kürzer. Diese Verkürzung steht im Zusammenhang mit Alternsprozessen und altersassoziierten Krankheiten in verschiedenen Organismen, beispielsweise Mensch oder Maus. Das internationale Forscherteam analysierte die Stammzellen und deren Telomerlänge in Planarien. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass lange Telomere ein Hauptmerkmal von adulten Stammzellen in Planarien sind", berichtet González-Estévez.

Die Forscher setzten eine Methode mit dem Namen TelQ-FISH (telomere quantitative fluorescence in situ hybridization) ein, um die Länge der Telomere in den Stammzellen von Planarien im Hungerzustand zu messen. "Diese Methode wurde bisher vor allem an Mäusen verwendet, aber wir haben sie angepasst und erstmals bei Planarien angewendet", erläutert González-Estévez. "Wir konnten zeigen, dass sich im Hungerzustand die Qualität des Stammzellpools in Planarien verbessert, denn sie weisen dann eine höhere Telomerlänge auf."

Stammzellen mit längeren Telomeren

Das Forscherteam fand heraus, dass der Hungerzustand zu einer Anreicherung von Stammzellen mit den längsten Telomeren führt. Dieses Phänomen, so die Forscher, hängt vom mTOR-Signalweg ab, der im Hungerzustand herunterreguliert ist. Dies ist ein wichtiger Signalweg, der das Zellwachstum und die Zellteilung kontrolliert und auch im Menschen vorkommt. Die Ergebnisse der im Fachjournal "Stem Cell Reports" veröffentlichten Studie zeigen, dass im Hungerzustand der mTOR-Signalweg blockiert ist und somit der Anteil von Stammzellen mit längeren Telomere ansteigt. Ist mTOR wiederum hochreguliert, hebt sich der Effekt des Hungerzustands auf die Telomerlänge von Stammzellen wieder auf. Dies weist auf einen verjüngenden Einfluss von Hungerphasen auf die Stammzellen in Planarien hin.

Aber welche Mechanismen stehen hinter diesem Effekt? Die Forscher haben hierauf zwei mögliche Antworten: Es könnte zum einen sein, dass sich im Hungerzustand besonders die Stammzellen mit längeren Telomeren symmetrisch teilen und dadurch zwei neue Stammzellen formen. Zum anderen wäre es möglich, dass sich Stammzellen mit langen Telomeren häufiger selbsterneuern, wenn die mTOR-Signalisierung ausfällt, während Stammzellen mit kurzen Telomeren sterben oder sich ausdifferenzieren.

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den positiven Einfluss von Hungerphasen auf den Stammzellpool und die Telomerlänge; beides Faktoren, die im Zusammenhang mit Langlebigkeit stehen. Weitere Untersuchungen, auch auf Basis der experimentellen Methode dieser Studie, könnten zeigen, ob der Einfluss des mTOR-Signalwegs auf Stammzellen und Telomerlänge auch in anderen Modellorganismen oder womöglich sogar dem Menschen nachgewiesen werden kann. (red, 29.7.2019)