"Daily Bread"-Challenge kann man das Fotoprojekt des US-Fotografen Gregg Segal nennen, bei dem er Kinder weltweit aufzeichnen ließ, was sie in einer Woche essen, um sie danach mit den Speisen zu fotografieren. Herausgekommen ist nicht nur nur ein äußerst interessantes Abbild unterschiedlichster Speisepläne, sondern auch eine einzigartige Geschichte über Multikulturalität einer globalisierten Welt sowie Leben und Alltag der Kinder von arm bis wohlhabend, urban bis völlig abgelegen wohnend. Die Kinder erzählen viel über ihre Vorlieben, ihre täglichen Routinen, Wünsche und Träume.

Segal kam die Idee für das Buch, nachdem er ein ähnliches mit Müll gemacht hatte, für das sich Familie, Freunde und Nachbarn mit dem Müll einer Woche fotografieren ließen. Bei diesem Projekt entschied er sich für Kinder, weil sich Essgewohnheiten früh entwickeln. Der Fotograf sieht Konsum, Verpackungswahnsinn, Ernährungsgewohnheiten und Lebensmittelproduktion kritisch und will mit seiner Arbeit darauf aufmerksam machen.

Im Bild oben: Rosalie Durand (10), Nizza, Frankreich

Seitdem sich ihre Eltern getrennt haben, lebt Rosalie teils mit ihrer Mutter und teils mit ihrem Vater zusammen, sodass sie sowohl das Mittelmeer als auch die französischen Alpen von zu Hause aus sehen kann. Sie ernährt sich gesund (mit viel frischem Fisch wie Sardinen), auch dank ihrem Vater, einem Gastronomen, der ihr beigebracht hat, Crêpes, Salate und Linsen mit Wurst, ihrem Lieblingsgericht, zuzubereiten.

Die einzigen Lebensmittel, die sie nicht mag, sind Ratatouille, Spinat und Gurke. Rosalie hat ihren Sinn für Mode von ihrer Mutter, einer Modedesignerin, und will Innenarchitektin werden.

Rosalie liebt Thai-Kickboxen, Klettern, Gymnastik und führt Zaubertricks vor. Sie ist ein Fan der Schauspieler Cole Sprouse und Emma Watson und geht gern ins Kino. Rosalie mangelt es an nichts, sie würde aber gern nach Los Angeles reisen und den Hollywood Boulevard sehen. Wenn sie genug Geld hätte, würde sie ein Segelboot oder vielleicht sogar eine Yacht kaufen.

Foto: Gregg Segal

Yusuf Abdullah Al Muhairi (9), Mirdif, Dubai

Yusufs Mutter kam aus Irland nach Dubai, um als Konditorin und Chocolatière zu arbeiten. Sie heiratete einen Mann aus den Emiraten brachte Yusuf auf die Welt, bevor sie sich trennten.

Yusuf liebt die Küche seiner Mutter und kann allein Rührei und Toast machen. Yusufs Hobbys: Lesen, Malen, Klettern, Reiten und wissenschaftliche Projekte erstellen. Wenn er groß ist, will er entweder Pilot oder Polizist werden. Wenn er das Geld hätte, würde er einen Ferrari kaufen. Seine Vorbilder sind Batman und seine Mutter.

Yusuf wünscht sich, dass seine Mutter wieder heiratet und hätte gerne Brüder und Schwestern. Nachts im Bett denkt er daran, mit seinem Großvater ein Vogelhaus zu bauen, mit ihm in den Flüssen Irlands zu fischen und mit seiner Großmutter Warner Brothers zu besuchen.

Foto: Gregg Segal

Anchal Sahani Chembur (10), Mumbai, Indien

Anchal lebt mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in einer winzigen Blechhütte auf einer Baustelle in einem Vorort von Mumbai. Ihr Vater verdient weniger als fünf US-Dollar pro Tag. Gerade genug, damit ihre Mutter Okra-Blumenkohl-Curry, Linsen und Roti (Fladenbrot) zubereiten kann.

Anchal möchte auf die Farm zurückkehren, auf der sie in Bihar geboren wurde, wie andere Kinder zur Schule gehen und Lehrerin werden, aber sie kümmert sich um die Hausarbeit und um ihren kleinen Bruder.

Wenn sie Zeit hat, verlässt sie die Baustelle, genießt den Duft von Jasmin und Lotus und schaut den Kindern in der Nachbarschaft beim Cricketspielen und Laufen zu. Während ihrer Spaziergänge sammelt das Mädchen bunte Schokoladenverpackungen, die sie entlang einer Straße bei einem Lebensmittelgeschäft findet. Anchal wünscht sich, ihre Mutter würde sie so lieben, wie sie ihren kleinen Bruder liebt.

Foto: Gregg Segal

Henrico Valias Sant'anna de Souza Dantas (10), Brasília, Brasilien

Henrico lebt mit seiner Mutter, einer Filmproduzentin und Werbefachfrau, und seinen beiden Geschwistern in einem noblen Vorort von Brasília. Henricos Mutter, Oma und Hausmädchen kochen täglich. Der Bub erfindet gern seine eigenen Snacks. Sein Lieblingsgericht ist Feijoada, ein brasilianischer Eintopf aus schwarzen Bohnen und Schweinefleisch, der mit einer Beilage aus weißem Reis, "farofa" (gebratenem Maniokmehl) und Kohlgemüse serviert wird.

Henrico liebt auch Desserts: Schokoladensoufflé, Toblerone- und Talento-Riegel, alles mit Nutella, Brigadeiro (eine Kugel aus gebackener Kondensmilch und Schokolade), Buttertoast, mit Schokopulver bestreut (hat sein Onkel erfunden) und eine seiner eigenen Kreationen (Steak mit Bananenscheiben).

Henrico spielt gern Videospiele wie "Little Big Planet", "Lego Marvel" und "Escape 3". Er hört Justin Bieber, Maroon 5 und Gato Galatico, sieht sich "Iron Fist" und "The Flash" auf Netflix an und ist ein "Star Wars"-Fan.

Als Henrico an dem Fotoprojekt Daily Bread teilnahm, stellte er fest, dass er eine große Palette an Speisen isst. Er hat keine Ahnung, was er werden möchte, wenn er erwachsen wird. In seinem Leben mangele es an nichts, und er ist sehr zufrieden.

Foto: Gregg Segal

Greta Moeller (7), Hamburg, Deutschland

Greta lebt mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester in Hamburg, verbringt aber auch viel Zeit mit ihren Großeltern. Auf dem Weg zu ihren Großeltern steht ein großer Kastanienbaum, und im Herbst sucht Greta mit ihrer kleinen Schwester im Laub nach Kastanien.

Gretas Lieblingsessen sind Fischstäbchen mit Kartoffelpüree und Apfelmus. Milchreis kann sie nicht leiden. Greta kann mit beiden Händen gleichzeitig mit den Fingern schnippen. Beim Einschlafen denkt Greta hauptsächlich an ihre Mutter, die normalerweise im Nebenzimmer fernsieht.

Foto: Gregg Segal

Kawakanih Yawalapiti (9), obere Xingu-Region von Mato Grosso, Brasilien

Kawakanih, deren Nachname von ihrem Stamm, den Yawalapiti, stammt, lebt im Xingu-Nationalpark, einem vom Weltraum aus sichtbaren Naturschutzgebiet im Amazonas-Becken Brasiliens. Der Park ist von Rinderfarmen und Sojabohnen umgeben. Allein in den letzten sechs Monaten wurden fast 100 Millionen Bäume durch illegalen Holzschlag und den Ausbau der Landwirtschaft zerstört.

Die Yawalapiti und andere Xingu-Stämme sammeln Samen, um Arten zu erhalten, die nur in ihrem Ökosystem zwischen Regenwald und Savanne wachsen. Auch die Sprache der Yawalapiti ist bedroht. Als Kawakanih geboren wurde, gab es nur noch sieben Menschen, die die Sprache Arawaki sprachen. Entschlossen, das Aussterben der Sprache zu verhindern, isolierte Kawakanihs Mutter Watatakalu ihre Tochter von denen, die kein Arawaki sprachen.

Kawakanih ist das erste Kind, das seit den 1940er-Jahren Arawaki spricht. An ihren Kindern läge es, die Sprache am Leben zu erhalten, meint ihre Mutter. Kawakanih hat auch den Dialekt ihres Vaters und Portugiesisch gelernt. Sie liebt es, Geschichtsbücher zu lesen, insbesondere über die Ägypter.

Ihre Tage verbringt sie damit, im Fluss zu spielen, zu angeln, bei der Hausarbeit zu helfen, Maniok zu ernten, bei Stammesritualen Beiju (Maniok-Fladenbrot) zu machen und Halsketten aufzufädeln. Alle paar Monate fährt das Mädchen zur Schule nach Canarana, wo sie den Umgang mit dem Computer lernt, obwohl niemand in ihrem Dorf einen Computer besitzt.

Es gibt weder Strom noch fließendes Wasser. Um von ihrem Dorf zum Fotostudio in Brasília zu gelangen, fuhren Kawakanih und ihre Mutter 31 Stunden mit Boot, Bus und Auto.

Die Körperbemalung soll das Mädchen vor bösen Geistern und schlechter Energie beschützen. Die schwarze Farbe wird aus Jenipapo-Früchten und die rote aus gemahlenen Urucum-Samen hergestellt (eine Schote Samen liegt links von ihrem Kopf). Regenwaldstämme verwenden seit Jahrhunderten die gesamte Urucum-Pflanze als Medizin.

Kawakanihs Ernährung ist sehr einfach und besteht hauptsächlich aus Fisch, Maniok, Brei, Obst und Nüssen. "Das Abendessen zu fangen dauert fünf Minuten", sagt Kawakanih. "Wenn du Hunger hast, gehst du einfach mit deinem Netz zum Fluss."

Foto: Gregg Segal

Nur Zahra Alya Nabila Binti Mustakim (7), Kajang, Malaysia

Die Eltern von Nur stammen aus einem Dorf in Ostmalaysia. Ihre Oma glaub an Übernatürliches, das seit Generationen in der Familie weitergegeben wird. Sie bereitet Essen für die Geister zu und bittet sie, ihre Familie zu beschützen. Die Eltern von Nur arbeiten in der Hotellerie und haben ein Stadthaus mit drei Schlafzimmern in Taman Sinaran, Balakong, einem geschäftigen Viertel im Bundesstaat Kajang, südlich von Kuala Lumpur.

Auf der Straße von Nur leben Menschen verschiedener Kulturen, die sich immer grüßen und die Wochenenden gemeinsam verbringen.

Das Mädchen ernährt sich von einer Vielfalt an chinesischen, indischen und malaiischen Gerichten wie Chee Cheong Fun, Reisnudelröllchen mit gedämpftem Tofu, Bohnenbrei und Fischbällchen, die mit etwas süßer Chilipaste serviert werden oder Roti Canai, ein Fladenbrot mit Dal und Curry, und Nasi Lemak, eine Mischung aus Reis, gekochten Eiern, Gurken, Sardellen, Erdnüssen und Sambal (scharfe Soße), in Kokosmilch gekocht und in Bananenblätter gewickelt. 90 Prozent der Mahlzeiten sind hausgemacht.

Sie liebt es, mit ihrer Mutter zu kochen, besonders Nasa Ayam (Hühnchen und Reis) und Nasi Lemak, ein mildes Gericht, das ihr keine Magenschmerzen bereitet, im Gegensatz zu den scharfen, im Laden gekauften.

Das ungesundeste Essen, das Nur isst, sind die Snacks und süßen Getränke, die sie in ihrer Schulkantine kauft. Nur ist ein starkes, stoisches Mädchen. Wenn sie vom Fahrrad fällt, weint sie nicht. Sie steigt sofort wieder auf und fährt weiter, um ihren beiden kleinen Schwestern ein Vorbild zu sein. Wenn sie groß ist, möchte Nur Zahnärztin werden und Menschen helfen, sich um ihre Zähne zu kümmern.

Foto: Gregg Segal

Meissa Ndiaye ( 11), Dakar, Senegal

Meissa teilt sich mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem Bruder ein Zimmer im Herzen von Parcelles Assainies. Parcelles Assainies, ein baumloser, sandiger Vorort von Dakar, wurde in den 1970er-Jahren entwickelt, um die Armen aus der Stadt unterzubringen.

Meissa wohnt gegenüber dem Fußballstadion und dem Markt mit hunderten Ständen, die von frischem Fisch bis zu Hochzeitskleidern alles verkaufen. Ende August säumen angebundene Ziegen die Straßen vor Eid al-Adha, dem Fest des Opfers.

Der Bub, ein gläubiger Muslim und Schüler in einer Koranschule, liebt Ziegenfleisch und süße Speisen wie Brei. In der Woche, in der er sein Esstagebuch führte, aß er aber sehr wenig Fleisch. Meistens aß er Baguette, gefüllt mit Spaghetti, Erbsen oder Bratkartoffeln.

Meistens bereiten Meissas Mutter und Tanten seine Mahlzeiten zu. Der Bub liebt Fußball und hofft, eines Tages ein Star wie Messi oder Ronaldo zu werden. Wenn er genug Geld hätte, würde er einen schönen kleinen Sportwagen kaufen. Er wünscht sich, dass seine Mutter und sein Vater, ein Kühlschranktechniker, nach Frankreich auswandern, damit sie genug Geld verdienen können.

Foto: Gregg Segal

Ademilson Francisco dos Santos (11), Vão de Almas, Goiás, Brasilien

Ademilson stammt aus Vão de Almas, einer Gemeinde mit 300 Familien in der Cerrado-Region von Goiás in Brasilien. Sein Heimatort ist 200 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt. Während der Regenzeit ist die Reise dorthin auf den bergigen und unbefestigten Straßen durch Täler und über Flüsse fast unmöglich.

Es gibt keinen Fernseher, Strom oder fließendes Wasser. Die Dorfbewohner baden, waschen ihre Kleidung und säubern ihre Töpfe und Pfannen im Capivara-Fluss. Ademilson, das jüngste von sieben Kindern, geht morgens (eine Stunde zu Fuß von zu Hause entfernt) in die Schule und kehrt nachmittags zurück, um seinem Vater beim Anbau und Sammeln einheimischer Pflanzen zu helfen.

Die Familie baut vieles an: Reis, Manihot (Maniok), Süßkartoffeln, Kürbis, Bohnen, Gurken, Okra, Jiló, Orangen, Zitronen, Wassermelonen, Mais, Kaffee und Zuckerrohr. Sie sammelt auch einheimische Früchte wie Buriti, Mangaba, Mango, Jatobá, Pequi, Caju und Coco Indaiá und produziert Kokosöl, Mamonaöl (Rizinusöl) sowie Sesam- und Erdnuss-Paçoca. Die Menschen arbeiten ohne den Einsatz von Maschinen, Bewässerung oder Pestiziden und düngen mit der Asche abgebrannter Pflanzen.

Manihot, die braune Wurzel in der oberen rechten Ecke des Fotos, ist ein Grundnahrungsmittel von Ademilson. Seine Lieblingsspeisen sind Mangos und Paçoca (ähnlich wie Erdnusskrokant). Es gibt viele Arten von Lebensmitteln, die Ademilson nicht isst, weil sie nicht zu seiner Ernährung gehören und völlig fremd sind. Er versuchte es mit einem Hot Dog, als er in die Stadt ging, und hasste es. Er hatte noch nie Pizza gegessen, bevor er nach Brasília gekommen war, um sich fotografieren zu lassen.

In seinem Porträt hält Ademilson Buriti, eine wilde Palme aus dem Cerrado, die reich an Carotinoiden und Antioxidantien ist und von den Ureinwohnern aufgrund ihrer vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten als "Baum des Lebens" bezeichnet wird. Die Blätter werden verwendet, um Häuser zu bedecken; Fasern werden zur Herstellung von Textilien verwendet, und das orange Fruchtfleisch wird für Lebensmittel verwendet. Auch die Samen der Buriti-Frucht werden nicht verschwendet, sondern von den Einheimischen kalt gepresst. Sie verwenden das gewonnene Öl, um sich vor der Sonne zu schützen und Muskelkater zu lindern.

Foto: Gregg Segal

Beryl Oh Jynn (8), Kuala Lumpur, Malaysia

Beryl lebt mit ihren Eltern und zwei Brüdern in einer ruhigen Wohnanlage. Sie besucht die S.J.K. Han Ming Puchong, eine chinesische Schule, die in Gehweite ist. Beryls Vater ist Ingenieur, und ihre Mutter betreibt eine Kindertagesstätte.

Beryls früheste Erinnerung an Essen ist Brei und Kuchen. Ihr Lieblingsgericht sind Spaghetti mit Carbonara-Sauce. Beryl baut Pak Choi und Spinat in ihrem Balkongarten an, darf keine Limonade trinken und mag keinen Ingwer. Wenn sie groß ist, möchte sie Cheerleaderin werden. (adem, 30.7.2019)

Foto: Gregg Segal

Gregg Segal, "Daily Bread: What Kids Eat Around the World"
120 Seiten, Powerhouse Books

Links

greggsegal.com

Instagram: @greggsegal.com

Foto: Gregg Segal