Wir haben noch keine echte Vorstellung davon, welche tiefgreifenden Auswirkungen die Klimakrise auch in unserem täglichen Leben haben wird bzw. bereits hat. Wer derzeit durch Österreich reist, kann angesichts der satten Grüns, des klaren Wassers in so vielen Bergbächen und -seen, auch angesichts des relativ vielen Grüns in den größeren Städten, nicht so recht glauben, dass wir vor großen Umwälzungen stehen.

Aber wer genauer hinsieht und wer die Aussagen von Wissenschaftern und Praktikern nicht ignoriert, kann schon die ersten beunruhigenden Anzeichen feststellen. Eine zufällige Auswahl: Im nördlichen Waldviertel mussten ganze Wälder abgeholzt werden (übrigens auch im benachbarten Böhmen), weil die Bäume sich in der Hitze nicht gegen den Borkenkäfer wehren können. "Mitgeholfen" hat eine Konzentration der Forstwirtschaft auf die Monokultur Fichte.

Fichtenwälder halten dem Borkenkäfer-Befall nicht stand.
Foto: APA/dpa/Lino Mirgeler

In Wien zeigen die zahlreichen Kastanienbäume so früh wie noch nie die Braunfärbung der Blätter, die von der vor etlichen Jahren vom Balkan eingeschleppte Miniermotte herrührt. Aussage von Experten: Die Rosskastanie, ein Signaturbaum Wiens, könnte verschwinden.

Die "Krone" bringt eine Reportage über die Gefährdung der Donau durch Wasserpflanzen, die wieder durch die Abwässer der Umgebung und die Touristenschiffe "genährt" werden. Und schließlich waren die Zeitungen voll von Überlegungen, wie man die künftige "Wüstenstadt Wien" lebenswert erhalten könnte.

Angefressene Grünflächen

Das sind keine theoretischentfernten Bedrohungen, sondern ganz konkrete Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden. Wer über die Lande fährt, sieht ein fortgesetzt kontraproduktives Verhalten: Nach wie vor wird zersiedelt, dass man dutzende Orte bald in "St. Flächenfraß am Abwasserkanal" umbenennen könnte. Der Boden wird versiegelt wie nicht gescheit, auch durch stolze private Initiative: vor der prachtvollen Ausseer Villa ein riesiger schwarzer Asphaltparkplatz, damit die SUVs ja nicht durch den üblichen Kiesgrund bestaubt werden. Dasselbe vor dem Jugendstilhotel, wo es nun aussieht wie bei einem Krankenhaus vor der Einfahrt zur Notaufnahme. Vorhandene Grünflächen wie der Prater werden laufend durch kommerzielle Projekte angefressen. Große Wohnbauprojekte, an sich notwendig, aber ausgerechnet an den Hängen des Wienerwaldes (Gallitzinberg)? Am Neusiedler See werden reihenweise Uferverbauungen mit schwindliger Begründung genehmigt.

Es gibt für jeden dieser Eingriffe eine ökonomische Argumentation. Aber das meiste werden wir uns nicht (mehr) leisten könne. Es geht nicht nur um Ökologie im engeren Sinn, sondern um Lebensqualität. Die Groß- und Eventgastronomie gehört eingehegt. Ja, Anrainer sind oft Spaßverderber, aber es gibt kein Menschenrecht auf zubetonierte Großgrillfabriken an der Alten Donau und laute Rooftop-Bars auf Innenstadthochhäusern.

Das wird ein zäher Kampf, auch gegen Interessen, Investoren und Indolenz. Aber die Verwandlung unserer Lebenswelten in brutheiße laute Gstätten ist zu stoppen. (Hans Rauscher, 30.7.2019)