Eines der bayerischen Ankerzentren in Ingolstadt.

Foto: Patrick Guyton

Glaubt man dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und seinem Parteifreund, Innenminister Joachim Herrmann, so ist die ehemalige Max-Immelmann-Kaserne im oberbayerischen Manching zu einem richtig guten Ort geworden. Das Leben der Flüchtlinge dort im Ankerzentrum in der Nähe von Ingolstadt sei "humaner" als früher, sagt Söder. Die Asylanträge würden mit "viel Gefühl und Fingerspitzengefühl" bearbeitet, sagt Herrmann. Wer am Ende zu jenen 30 Prozent Anerkannten gehöre, werde "rasch integriert".

Seit 1. August 2018 gibt es die bayerischen Ankerzentren, in denen alle neu ankommenden Flüchtlinge bis zu einer Entscheidung über ihren Asylantrag leben müssen. Und seit einem Jahr gibt es das Landesamt für Asyl und Rückführungen mit dem Ziel, die Abläufe zu straffen und Abgewiesene möglichst schnell wieder außer Landes zu schaffen.

"Gelungene Balance"

Ein Anlass zum Jubel? Söder preist bei einer Pressekonferenz auf dem Manchinger Gelände, wo sowohl Asylwerber einquartiert sind als auch die Behörde ihre Zentrale hat, die Flüchtlingspolitik als "gelungene Balance zwischen Humanität und Ordnung". Schneller, konsequenter und härter als im Rest Deutschlands will man im Freistaat vorgehen.

Ein paar Tage zuvor sitzt eine 24-jährige Nigerianerin im Münchner Flüchtlingszentrum Bellevue di Monaco. 19 Monate musste sie mit ihrem kleinen Kind in Manching leben, bis sie einen Aufenthaltsstatus bekam. "Man kann dort nicht sein, ohne depressiv zu werden", meint sie. Mehrere Frauen und Kinder teilen sich einen Raum, man darf nicht selbst kochen und ist auf die Gemeinschaftsverpflegung angewiesen.

Kein Besuch gestattet

Besuch ist nicht gestattet, sämtliche Zimmer lassen sich nicht abschließen, sagt die Frau. Nachts hätten sie mit Stühlen und Tischen die Tür verbarrikadiert. Die Sicherheitsleute würden ohne anzuklopfen in die Zimmer und Duschen kommen. Nigerianerinnen, so hat sie es erlebt, seien von Landsleuten vergewaltigt worden.

Der Widerstand gegen die bayerischen Ankerzentren ist weiterhin groß. Sieben Stück gibt es, in jedem Regierungsbezirk eines. Diese wiederum unterhalten verschiedene Dependancen. Der Bayerische Flüchtlingsrat bezeichnet sie als "Abschiebelager" und kritisiert die "menschenunwürdige Unterbringung", bei der die "massive Einschränkung und Verletzung elementarer Grundrechte" zum Alltag gehöre.

Innenminister Herrmann präsentiert Zahlen, die eine ganz andere Botschaft vermitteln sollen. Genau 1728 Abschiebungen hat es im ersten Halbjahr 2019 in Bayern gegeben, 2018 waren es insgesamt 3265. Ein Erfolg sei das, "hohes Niveau". 40 Prozent der Abgeschobenen seien zuvor als Straftäter aufgefallen. Mehr als dreimal so viele Menschen seien aber freiwillig in ihre Heimat ausgereist, nämlich 5594 im ersten Halbjahr. "Ich freue mich über jeden Fall, der sich freiwillig erledigt", sagt Herrmann dazu. Bis zu 1500 Euro würden Rückkehrer erhalten.

Keine Beratung im Ankerzentrum

Wer aber in Deutschland bleiben will, hat im Ankerzentrum Probleme, seine Rechte wahrzunehmen. Das meint zumindest Anna Frölich, eine Münchner Anwältin für Migrationsrecht, die ehrenamtlich Flüchtlinge aus Manching berät. Nicht im Ankerzentrum, denn da darf sie nicht hinein, sondern außerhalb in einem kirchlichen Gebäude.

"Die Leute sind in einem rechtsfreien Raum aufeinandergepfercht", kritisiert Frölich. Die Klage gegen einen abgelehnten Asylbescheid koste 1000 Euro und dauere zwei bis drei Jahre. So lange müssen die Kläger im Zentrum verweilen, mit einem Taschengeld von 135 Euro im Monat. Auch Joachim Jacob vom Flüchtlingshelfer-Zusammenschluss Unser Veto hat kaum Chancen, den Menschen direkt in den Zentren zu helfen. "Der Zugang ist undurchschaubar, für Ehrenamtliche ist das abschreckend." Die Helfer kümmern sich aber um die Leute, die nach einem positiven Bescheid auf die Städte und Gemeinde verteilt werden.

"Das sind gebrochene Menschen", sagt Jacob. "Sie können kaum Deutsch, kennen sich nicht aus." Die Helfer fordern, die Zentren wieder abzuschaffen und die Flüchtlinge wie zuvor auch nach kurzer Zeit auf die Kommunen zu verteilen.

1800 Menschen in Bamberg

Ins Münchner Bellevue ist auch Amir gekommen, ein Asylwerber aus dem Iran. 38 Jahre ist der frühere Englischlehrer alt und seit 14 Monaten im Ankerzentrum Bamberg untergebracht. Dort arbeitet er als Dolmetscher für die Ärzte. "1800 Menschen sind in Bamberg", sagt er. "Es ist sehr laut, alle sind dort zusammen: Familien mit Kindern, Alleinstehende, Dealer, Abhängige." Seit Amir dort ist, sagt er, hat er von 20 Suiziden gehört. (Patrick Guyton aus Manching, 31.7.2019)