Foto: Lunghammer - TU Graz

Graz – Feststoffbatterien könnten eine sicherere Alternative zu den leicht entflammbaren Lithiumionen-Akkus darstellen. Sie enthalten keine flüssigen Elektrolyten, die bei falschem Umgang auslaufen und in Brand geraten können. Bisher fehlen allerdings Materialien, die eine ähnlich hohe Ionenleitfähigkeit wie flüssige Elektrolyte besitzen.

Forscher der TU Graz haben nun aber im Fachjournal "Chem" einen kristallinen Ionenleiter mit einer Lithium-Ionenmobilität vorgestellt, die die Werte bisheriger Spitzenkandidaten übertrifft. Es handle sich um einen der schnellsten je gemessenen Lithium-Wanderungsprozesse in einem Lithium-Ionenleiter, berichtet die TU Graz.

Erwünschte Frustration

Das neue Ionenleitermaterial ist ein Lithium-Titanthiophosphat (LTPS) und hat die Summenformel LiTi2(PS4)3. Seine ungewöhnliche Kristallstruktur zeichne sich durch sogenannte "geometrische Frustration" aus. Das heißt, dass sie – anders als herkömmliche Ionenleiter – keine energetisch stark begünstigten "Verweilplätze" für Ionen biete. Diese sind mit ihrem jeweiligen Platz sozusagen permanent unzufrieden: "frustriert". Wie die Berechnungen der Gruppe um Geoffrey Hautier (Universite catholique de Louvain) zeigten, führt gerade diese energetische Frustration der Ionen zu einer hohen Ionenmobilität.

"Die Lithium-Ionen suchen mehr oder weniger verzweifelt einen geeigneten Platz und bewegen sich dabei sehr rasch durch die kristallografische Struktur von LTPS. Genau diese hohe Ionenbeweglichkeit wollen wir in Elektrolytkörpern für Feststoffbatterien haben", fasste Martin Wilkening vom Institut für Chemische Technologie und Leiter des Christian Doppler Labors für Lithium-Batterien zusammen. Sein Grazer Team hat die errechnete Ionenbewegung mithilfe von Kernresonanzspektroskopie experimentell bestätigt. Laut TU Graz können weltweit nur wenige Gruppen dynamische Prozesse in kristallinen Festkörpern mit hinreichend hoher Präzision und so vielfältigen Methoden über einen breiten Temperaturbereich vermessen.

Suche nach weiteren Verbindungen

Dabei fanden die Grazer Forscher zwei Prozesse, die die Berechnungen untermauern: "In der Struktur von LTPS können die Lithium-Ionen auf ringförmigen Pfaden hin- und her, sowie von einem Ring zum nächsten springen. Der letzte Schritt, der Inter-Ring-Prozess, ermöglicht den Ionentransport in Langreichweiten", wie Wilkening darlegte. Die Inter-Ring-Hüpfprozesse der Lithium-Ionen fanden selbst bei extrem niedrigen Temperaturen statt. So hat die Kernresonanzspektroskopie auch bei rund minus 250 Grad noch mobile Ionen, die nach passenden Potenzialmulden suchten, registriert. Dieses Verhalten komme laut Wilkening äußerst selten vor, denn mit sinkenden Temperaturen nimmt die Mobilität der Ionen in der Regel ab.

LTPS sei durch seinen superschnellen Diffusionsprozess, dessen Ursache die energetische Frustration ist, als Vertreter einer neuen Klasse von Festelektrolyten anzusehen, die zwar kristallin seien, aber die Bewegungseigenschaften besitzen, die den Flüssigelektrolyten ähneln, fassen die Autoren zusammen. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Toyota erstellt, die UC Louvain hat die Entdeckung zum Patent eingereicht. Nun will man sich weitere Verbindungen suchen, die einen ähnlichen Leitungsmechanismus haben. (APA, red, 1. 8. 2019)