Wer in Wien sein Auto abstellen will, muss sich im Schilderwald zurechtfinden. Auch für Parkpickerlbesitzer gibt es Ausnahmen.

Foto: Regine Hendrich

Auf der deutschen Nordseeinsel Helgoland müsste man leben. Die Bewohner haben keine Probleme mit Autos und Parkplätzen, weil dort gar keine Kraftfahrzeuge zugelassen sind. Knapp 1.000 Kilometer südöstlich, in Wien, sind viele Menschen reif für die Insel, weil die Parkplatzprobleme in der Stadt immer nerviger werden.

Kein Wunder also, dass der jüngste Vorstoß des Bezirksvorstehers von Wien-Donaustadt, Ernst Nevrivy (SPÖ), viel Beachtung erhalten hat: Er will, dass Wiener grundsätzlich in Wien kostenlos parken dürfen – und dass Nichtwiener immer in der Stadt dafür bezahlen müssen beziehungsweise ihre Autos in Park-&-Ride-Anlagen an der Stadtgrenze stehen lassen. Zur Erinnerung: In 19 von 23 Wiener Bezirken gibt es bereits kostenpflichtige Parkpickerln für Wiener, nur Hietzing, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing sind noch pickerlfrei.

Freizügigkeit eingeschränkt

Der Rechtsprofessor Gerhard Strejcek, der Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien lehrt, hält den Vorschlag für ein kostenfreies Parkpickerl für ganz Wien aber für "verfassungsrechtlich problematisch", denn die Besserstellung von Wienern gegenüber Niederösterreichern sei sachlich fragwürdig und würde die Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebiets einschränken. "Es wird gerne vergessen, dass es das Recht auf Freizügigkeit nicht nur in der EU gibt, sondern auch innerhalb Österreichs", sagt Strejcek auf Anfrage des STANDARD und verweist auf Artikel 4 der Bundesverfassung, die Zollschranken und "sonstige Verkehrsbeschränkungen" innerhalb des Bundesgebiets verbietet.

Ausnahmen für Handwerker

Auch das Parkprivileg für Bewohner eines Bezirkes sei verfassungsrechtlich nicht ganz sauber, meint Strejcek. Es lasse sich aber noch damit rechtfertigen, dass es möglich sein soll, sein Fahrzeug in der Nähe seines Hauptwohnsitzes abzustellen; eine Regelung nur für direkte Anrainer wäre schwieriger zu administrieren. Bei einer Millionenstadt wie Wien halte diese Begründung hingegen nicht. Dennoch schließt Strejcek nicht aus, dass auch eine solche Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof halten könnte – vor allem dann, wenn es Ausnahmebestimmungen für Berufsgruppen wie Handwerker gibt, die dringend in Wien parken können müssen.

Hebein für Ausweitung des Parkpickerls

Die Debatte über eine Verbesserung des Wiener Parkzonensystems ist jedenfalls neu entfacht. Ein Gespräch zwischen der zuständigen Stadträtin Brigitte Hebein (Grüne) und Donaustadt-Chef Nevrivy hat bereits stattgefunden. Die Vizebürgermeisterin sei allerdings bei ihrer Position geblieben, hieß es am Mittwoch in ihrem Büro. Hebein will eine Ausweitung des Parkpickerls in der jetzigen Form auch für die Donaustadt, was Nevrivy ablehnt. Sein Vorschlag bedeutet übrigens nicht, dass alle Wiener immer und überall gratis parken dürften. Dort, wo Parkraumbewirtschaftung notwendig sei, solle es sie auch weiterhin geben, so Nevrivy mit Blick auf die innerstädtischen Bezirke.

ÖVP für wienweite Regelung

Inzwischen haben sich auch ÖVP-Bezirksvorsteher wie Daniel Resch aus Döbling und Silke Kobald aus Hietzing für ein wienweites Parkpickerl ausgesprochen. Für Resch ist vorstellbar, die derzeit gültigen Bezirksparkpickerln mit einem Aufpreis von etwa fünf Euro zu einem Pickerl für ganz Wien aufzuwerten. Der "Schikane-Effekt, bei jeder Fahrt in einen anderen Bezirk wieder zu zahlen, fiele weg", so Kobald. Die Neos wiederum schlagen die Schaffung von 30 bis 60 Grätzelparkzonen vor, innerhalb deren die Bewohner ihre Autos gratis abstellen dürfen.

Wer sich jetzt schön langsam auf die eingangs erwähnte Insel Helgoland sehnt, sollte noch wissen, dass dort auch Radfahren verboten ist. (Eric Frey, Michael Simoner, 1.8.2019)