Fünf Landeshauptmännern hat Viktor Dihanich insgesamt gedient: "Immer, wenn es um den Fußball gegangen ist, ist der Karl Stix gekommen: Vikerl, erklär ma des."

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Am Mittwoch war Dihanichs letzter offizieller Arbeitstag im Landhaus in Eisenstadt.

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Es war ein turbulentes, rücktrittsreiches halbes Jahr. Nicht nur im politischen Burgenland. Aber hier, wo ein neuer Landeshauptmann fliegend den alten abgelöst hat, die halbe Regierung erneuert wurde und der blaue Juniorpartner wegen Ibiza seine Fisimatenten hatte, eben auch.

Fast hätte man in all dem Drunter und Drüber im Eisenstädter Landhaus auf den Viktor Dihanich vergessen können. Und das wäre wirklich schade gewesen. Denn der Viktor Dihanich ist einer, der mehr zu erzählen hat und von dem mehr zu erzählen ist als der Umstand, dass er seit gut einem Vierteljahrhundert nächtens durch die Herzkammer des politischen Burgenlandes streift.

Die gute Seele

Durch das heuer 90 Jahre alt gewordene Landhaus – Hauptwerk des Otto-Wagner-Schüler Rudolf Perthen –, dem er mit ein paar Kollegen den Nachtportier, den Nachthausmeister, den Nachtwächter machte. Auf der offiziellen Landesseite burgenland.at nennen sie ihn, amtlich sozusagen, "die gute Seele des Landhauses".

Vikerl sagen die meisten zu ihm, vom Landeshauptmann bis hinunter zum Reporter, der ihn auch schon 25 Jahre lang kennt. Der Vikerl versuchte damals, von Klimpuh/Klingenbach aus der Fußballwelt einen Haxen auszureißen; der Reporter, das in Worte zu fassen. Mehr als elf Jahre lang, von 1984 bis 1995, war Viktor Dihanich nämlich der Obmann des ASK Klingenbach. Im Juni 1994 führte er den Verein, der 1990 erst in die Landesliga, 1993 in die Regionalliga Ost aufgestiegen war, in die zweite Bundesliga. Ein veritabler Durchmarsch war das. "Ohne Schulden", wie er immer noch stolz sagt. Gott sei Dank. Denn nach zwei Saisonen ging es in ähnlicher Manier retour.

Grenzgemeinde

1300 Einwohner groß ist Klimpuh/Klingenbach, die Grenzgemeinde zu Sopron, die damals hauptsächlich in den Verkehrsnachrichten vorgekommen ist wegen des Stauchaos. Fixiert wurde diese Sensation am Samstag, den 11. Juni, daheim mit 2:0 gegen Waidhofen an der Ybbs. Das 1:0 erzielte ein großer Heimkehrer: Johann Dihanich, Mittelfeldspieler der Wiener Austria, zehnfacher Internationaler und von 2009 bis in den heurigen Mai Nachfolger seines Cousins Viktor auf dem Obmannsessel.

In Feierlaune also gingen die Klingenbacher am Tag darauf, am 12. Juni 1994, zur Volksabstimmung: 86 Prozent stimmten für den EU-Beitritt, von dem sie sich wohl auch erhofften, dass der Grenzrückstau, der das Leben im Dorf zur echten Herausforderung gemacht hat, sich allmählich auflösen ließe. "Ich habe oft die Schiedsrichter holen und mit Polizeibegleitung herführen müssen, sonst wären sie nicht durchgekommen."

Kroatisch sprechen mit den Enkerln

Viktor Dihanich wuchs kroatisch auf. Klimpuh ist Teil der großen burgenlandkroatischen Sprachinsel in der Nähe von Eisenstadt, deren stolze Bewohner man Poljanci nennt. Als junger Mann kam das Selbstverständnis aber ins Wanken. Fritz Robak, der legendäre SPÖ-Bürgermeister von Stikapron/Steinbrunn, Nationalrat und Landtagsabgeordneter, hatte ihn – und nicht nur ihn – mit seinem vehementen Plädoyer fürs Assimilieren angesteckt. "Viele gingen ja nach Wien arbeiten. Und da warst du gleich der depperte Krowod." Den Kindern wollte er das ersparen, darum hat er ihnen gegenüber das Kroatische etwas vernachlässigt. Manchmal bekam er das auch als Vorwurf zu hören. "Mit den Enkerln red ich jetzt nur kroatisch. Aus Fehlern muss man lernen." Ihm selbst hat das Kroatische auch im Fußballgeschäft sehr geholfen, "etwa bei Verhandlungen mit slowakischen Spielern".

Die Poljanci haben insgesamt längst schon begonnen, das Verhältnis zu sich selber wieder in Ordnung zu bringen. Verleugnen hätte der Vikerl seine Muttersprache mit den weichen Konsonanten aber eh nicht gekonnt. Klingenbach spricht er stets als Gglingenbach.

Seit jeher hat Viktor Dihanich auch gemalt. "Mein Lieblingsspielzeug waren Buntstifte und Wasserfarben." Als einzig denkbare Handwerksausbildung schien ihm die zum Maler und Anstreicher. So ist er schließlich auch zum Land gekommen. Zur Straßenbauabteilung: "Von Kittsee bis ins Mittelburgenland hab ich alle Zebrastreifen gemalt." Als das privatisiert wurde, wechselte er in die Portiersloge des Landhauses. So manche Ausstellung hatte er. Eine gar im Wiener Parlament, "gemeinsam mit den Künstlern der Rabnitztaler Malerwochen".

Der kleine Mann

Viktor Dihanich nennt sich – nicht nur aus physischen Gründen, sondern auch im übertragenen Sinn – einen "kleinen Mann". Als solcher hat er sich aber stets auch die politisch Großen, die Tag für Tag an ihm vorbeimussten, zuweilen zur Brust genommen; vor allem die Seinen, die Roten. Auf dass die nicht abheben ins nur noch Ungefähre.

Fünf Landeshauptmännern hat er insgesamt gedient. Manche suchten gar seinen fachlichen Rat. "Der Karl Stix war ein Motorsportler. Immer wenn es um Fußball gegangen ist, ist er gekommen: Vikerl, erklär ma des." Mit Hans Niessl teilte er den Herzrhythmus für die Wiener Austria. Etwas, das dem Rapidler Doskozil leider fehle.

Viktor Dihanich war stets ein Aufheller. "Wenn jemand mit fadem G'sicht in der Früh gekommen ist, hab ich einen kleinen Schmäh gemacht. Die Leute sind dann gleich ganz anders ins Büro gegangen." Mag sein, das wird eine Zeitlang einigen abgehen. Ende Juli verabschiedete sich Viktor Dihanich in die Pension. Zum Fußball, zur Staffelei, zu den Enkerln. Nach Gglingenbach. (Wolfgang Weisgram, 1.8.2019)