Elizabeth Warren wirbt für Universitäten ohne Studiengebühren, für kostenlose Kindergärten und ein Gesundheitssystem, das ohne private Krankenversicherungen auskommt, weil es allein durch Steuern finanziert wird. Dafür will sie Wohlhabende stärker zur Kasse bitten, wobei sie einen Punkt herausstellt: Haushalte, deren Vermögen 50 Millionen Dollar (45 Millionen Euro) überschreitet, sollen zwei Prozent mehr als bisher an Abgaben zahlen. Ziehe man mit "märchenhaften" Versprechen in den Wahlkampf, entgegnet John Delaney – auch er ein Präsidentschaftsanwärter der US-Demokraten –, werde man am Ende nur eines erreichen: die Wiederwahl Donald Trumps.

Bild nicht mehr verfügbar.

Freundlich für die Kameras, in der Sache aber Kontrahenten: Elizabeth Warren und Bernie Sanders.
Foto: AFP/GETTY IMAGES/JUSTIN SULL

Der Richtungsstreit schwelt schon seit längerem, doch spätestens seit der zweiten Fernsehdebatte der demokratischen Präsidentschaftsanwärter ist klar, wie sehr er den Wettlauf um die Kandidatur prägen wird. Die Konstellation erinnert an den Zweikampf des Jahres 2016, als der linke Senator Bernie Sanders dem Pragmatismus der kleinen Schritte, wie Hillary Clinton ihn verkörperte, eine weitreichende, an skandinavischen Modellen orientierte Reformagenda entgegensetzte und sich die Partei in zwei einander heftig befehdende Lager spaltete.

Politik der großen Ideen

Diesmal steht Warren, einst Harvard-Professorin, heute Senatorin, zusammen mit Sanders für einen Flügel, der es nach ihren Worten nicht bei "kleinen Ideen" belässt, sondern "große, strukturelle Änderungen" in Angriff nimmt. Wie Sanders, in der Programmatik allerdings präziser als er, sprüht sie vor Angriffslust. Wie ihr Gesinnungsgenosse betont sie, dass man die eigene Position schnörkellos darlegen müsse, ohne ständig darauf zu schielen, was den Konservativen davon als Munition dienen könnte.

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch John Delaney will Trumps Wiederwahl verhindern.
Foto: AP Photo/Paul Sancya

Delaney, ein auf Kredite im Gesundheitssektor spezialisierter Banker, der von 2013 bis Anfang 2019 einen Wahlkreis in Maryland im US-Kongress vertrat, besetzt den Gegenpol. Bis dato als chancenloser Außenseiter belächelt, profilierte er sich im Fox Theatre in Detroit, dem Schauplatz der zweiten TV-Diskussion, unvermittelt als Wortführer einer Fraktion, die ihre Rivalen auf der Linken in dramatischer Sprache vor einem Marsch in die Unwählbarkeit warnt.

Politischer Selbstmord?

Wer dem Duo Warren/Sanders folge, so Delaney, begehe politischen Selbstmord, weil er schwankende Wähler verprelle, womit er Trump einen zweiten Wahlsieg sichere. Ähnlich sehen es Steve Bullock und John Hickenlooper, der eine Gouverneur von Montana, der andere Ex-Gouverneur von Colorado, beide bisher kaum wahrgenommen und umso mehr darum bemüht, ihr Profil zu schärfen. Im Fox Theatre sprach Bullock von "Wunschzettelökonomie", während Hickenlooper orakelte, man könnte Trump den nächsten Wahltriumph gleich per Kurier ins Haus schicken, sollte sich die Parteilinke durchsetzen.

Auch Joe Biden, der erst in der Nacht auf Donnerstag hinterm Debattenpult stehen sollte, setzt auf allenfalls vorsichtige Reformschritte, auch wenn er inhaltlich vieles noch im Ungefähren lässt. Der ehemalige Vizepräsident versteht sich als rechtmäßiger Erbe Barack Obamas, der wiederum – trotz mitreißender Reden – dem erklärtermaßen kompromissbereiten Ansatz Bill Clintons folgte, seines Vorvorgängers im Oval Office.

Andere versuchen es mit einem Slalomlauf, etwa Kamala Harris, Pete Buttigieg und Beto O’Rourke, die sich alle noch Chancen auf die Kandidatenkrone ausrechnen. Jedenfalls hat der verbale Schlagabtausch in der Motor City jegliche Scheinharmonie weggeblasen und aufgezeigt, was für ein tiefer ideologischer Graben sich quer durch die Reihen der Demokraten zieht. Was sie eint, ist der dringende Wunsch, die Ära Trump nach nur vier Jahren im Weißen Haus zu beenden – gepaart mit der Angst, ein zweites Mal gegen einen Widersacher zu verlieren, den man 2016 sträflich unterschätzt hatte.

An der Frage nach dem Wie scheiden sich indes die Geister. Soll man konsequent die Mitte ansteuern in der Hoffnung, die Gunst jener weißen, eher wertkonservativen Wähler zurück zugewinnen, die im Rostgürtel Michigans, Ohios, Pennsylvanias und Wisconsins zu Trump übergelaufen sind? Oder lieber die eigene, nach links gerückte Basis mobilisieren, so wie auch Trump seine Anhänger mobilisiert? Kurzum lautet die Frage: Kompromisse oder klare Kante?

Zielgruppe: die Jugend

Interessanterweise bauen Warren und Sanders, sie 70, er 77 Jahre alt, explizit auf den Zuspruch junger Amerikaner. Von einer Generation, die den Crash der Finanzkrise erlebte, den Kalten Krieg dagegen nur aus Geschichtsbüchern kennt, versprechen sich beide, offen zu sein für progressive Konzepte – mag die Gegenseite noch so laut vor einer Rutschbahn Richtung Sozialismus warnen. Mit Rückgratlosigkeit löse man keine Probleme, hat es Warren in Detroit auf eine streitbare Formel gebracht. Was die Partei brauche, sei ein neues Selbstbewusstsein: "Wir dürfen keinen Kandidaten aufstellen, an den wir nicht glauben, nur weil wir Angst davor haben, den Kurs zu ändern." (Frank Herrmann, 31.7.2019)