Eine der Hauptaufgaben meiner Kollegen in der Vestfold Fylkeskommune ist der Schutz des kulturellen Erbes in Vestfold in der Nähe von Oslo. Darunter fallen zum Beispiel archäologische Monumente wie die wikingerzeitlichen Schiffsgräber von Gokstad und Oseberg, der mittelalterliche Stadtkern von Tønsberg oder die Steinsetzung von Istrehågan. Gemeinsam ist diesen archäologischen Fundstellen, dass relativ wenig Menschen auf den Gedanken kämen, sie willentlich zu beschädigen oder gar zu zerstören. Leider trifft das nicht auf alle archäologischen Kulturgüter in Vestfold zu. Eine der am schwierigsten zu schützenden Fundstellen ist Mølen.

Flugzeuggestützter Laserscan von Mølen. Deutlich sind die großen Grabhügel am Strand zu erkennen.
Foto: VFK/j.k. øhre askjem

Geschiebe des Gletschers

Mølen liegt ein wenig versteckt am südlichen Rand einer Halbinsel zwischen Helgeroa und dem malerischen Nevlunghavn und hat einiges zu bieten: imposante Landschaften, raue See, geologische Schmankerln und obendrein beeindruckende archäologische Grabmonumente. Mølen ist ein Teil der Ra, einer der größten zusammenhängenden Endmoränen Norwegens. Das Wort Ra kommt aus dem Altnordischen und bedeutet recht treffend Schotterrücken. Geformt am Ende der letzten Eiszeit während der sogenannten Jüngeren Dryas, markiert sie die maximale Ausdehnung des Eises zu dieser Zeit.

Die Ra-Moräne taucht bei Mølen ins Meer.
Foto: p. schneidhofer

Die Gletscher zogen sich damals bereits zurück. Vorübergehende Stillstände, während derer sich der Eisrand weder vor- noch zurückbewegte, kommen vor, wenn sich die Menge des abschmelzenden und des nachkommenden Eises ausgleichen. Das vom Gletscher mitgeführte Geschiebe wird dabei weiterhin an den Rand transportiert und dort abgelagert. Je länger der Stillstand dauert, desto mehr Material sammelt sich an. Die Ra-Moräne wurde während eines 300 Jahre andauernden Stillstands (12.650–12.350 Jahre vor heute) geschaffen, als gigantische Moränen um den gesamten Skandinavischen Eisschild entstanden.

Die fantastische Landschaft in Mølen zieht viele Besucher an.
Foto: p. schneidhofer

Eine Moräne setzt sich aus Geschiebe verschiedener Korngrößen – von Lehm bis zu tonnenschweren Gesteinsbrocken –, Alter und Herkunft zusammen, die ungeschichtet, also durchmischt abgelagert werden. Die Ra-Moräne enthält über 100 verschiedene Gesteinsarten, darunter Larvikite, Syenite und Rhombenporphyr. Das Besondere an Mølen ist die Erosion von Ton, Schluff und Sand durch Niederschlag und das (durch die Landhebung bedingte) Zurückweichen der Küstenlinie, die nur größere Steine an der Oberfläche belässt.

Durchmischtes Moränenmaterial.
Foto: p. schneidhofer

Steinsetzungen im Strandbereich

Diese Steine lieferten das Material für die rund 230 Grabbauten verschiedener Größe und Form, die sich bis heute auf einem ehemaligen Strandwall erhalten haben. Die Verschiebung der Küstenlinien ergibt als maximales Alter der am niedrigsten liegenden Gräber circa 2.000 Jahre vor heute an. Allgemein datiert man die Grabmonumente in die Eisenzeit.

Die meisten der Steinhaufen oder Steinsetzungen sind relativ klein und rundlich (circa zwei Meter Durchmesser und eine Höhe von nur zehn Zentimetern bis zu einem Meter). Es gibt aber auch einige größere rechteckige und ovale Varianten, die allesamt eine Ost-West-Orientierung aufweisen. Die kleineren Gräber wurden in mehr oder weniger regelmäßigen, Ost-West-orientierten Reihen (mit jeweils sechs bis 33 Gräbern) im Strandbereich errichtet. Sträucher, die den hinteren Teil des Strandes bedecken, könnten allerdings noch weitere Gräber verbergen – systematisch untersucht wurde das allerdings noch nicht.

Einer der größten vor einer Reihe kleinerer Grabhügel.
Foto: VFK/t.aga brun

Die größten Grabhügel befinden sich oben auf dem Moränenrücken, darunter elf runde Monumente mit Durchmessern von bis zu 30 Metern und einer Höhe zwischen ein und drei Metern. Zwei annähernd rechteckige Langgräber weisen mit einer Länge von bis zu 50 Metern noch größere Dimensionen auf. Ein schiffsförmiger Grabhügel mit 21 Meter Länge ist das einzige Monument, das ausgegraben und danach wieder rekonstruiert wurde. Alle großen Grabmonumente zeigen Spuren nachträglicher Öffnung. Wann diese stattgefunden haben, können wir nicht mit Sicherheit sagen.

Schwierige Erhaltung

Seit 1973 steht Mølen unter Denkmalschutz, 2012 wurde die gesamte Fundstelle mittels GPS vermessen. Im Juni 2008 wurde Mølen als Unescos erster Europäischer Geopark eröffnet. Touristen besichtigen die einzigartige Landschaft, die Norweger kommen zum Wandern und Surfen, kurz gesagt: Es ist viel los in Mølen. Das wirkt sich auch auf den Erhaltungszustand der archäologischen Monumente aus. Steinhaufen auf einem Steinstrand – nicht alle Besucher erkennen und/oder respektieren die einzigartige archäologische Landschaft, die sich ihnen bietet. Regelmäßig werden Teile der Grabhügel zerstört, als Windschutz zweckentfremdet, umgebaut oder gar "neue" Monumente errichtet. Auch die Vegetation breitet sich aus, überwuchert und entzieht damit Gräber unserem Zugriff, schützt sie dadurch aber gleichzeitig.

Teilweise Zerstörung: Hier wurde ein temporärer Windschutz von einem Besucher angelegt, leider im Grabmonument.
Foto: p. schneidhofer

Mølen komplett zu erhalten ist nicht möglich, ohne Besuchern und Interessierten den Zugang zu verweigern oder ihn zu limitieren – und das wiederum wäre nicht wünschenswert. Es ist gut und wichtig, dass die Menschen diesen einzigartigen Ort erforschen und genießen können. Die Landschaft und ihr Zweck haben sich im Laufe der Jahrtausende wieder und wieder verändert – und werden das auch weiterhin tun. Und meine Kollegen vom Denkmalschutz werden ein wachsames Auge darauf haben. (Petra Schneidhofer, 1.8.2019)