Wien/Berlin – Eine bisher unbekannte Strategie, mit der sich Mikroorganismen vor der Schädigung durch freie Sauerstoffradikale schützen, hat ein Team um den Südtiroler Biologen Markus Ralser entdeckt. Im Fachmagazin "Nature" zeigen sie, dass Bäckerhefe-Zellen die Aminosäure Lysin in großen Mengen quasi "ernten", was ihnen in der Folge dabei hilft, sich vor drohenden Schädigungen zu schützen.

Hintergrund

Das Forschungsteam um Ralser, der seit Mai 2018 "Einstein-Professor für Biochemie" an der Berliner Universitätsklinik Charité ist und zuvor am Francis Crick Institute in London sowie an der University of Cambridge tätig war, ging der Frage nach, wie sich Mikroorganismen gegen freie Sauerstoffradikale wappnen. Diese reaktionsfreudigen Moleküle suchen besonders aggressiv nach chemischen Reaktionspartnern. Dabei können sie wichtige Zellbausteine schädigen und spielen eine somit Rolle beim Entstehen von Krankheiten, berichtet die Charité.

Um freie Radikale abzufangen und von ihnen verursachte Schäden abzuwenden, gibt es in den Zellen aber besondere Verbindungen, die Antioxidantien. Wenn diese aber nicht ausreichend vorliegen oder zu viele freie Radikale im Zellstoffwechsel gebildet werden, spricht man von oxidativem Stress.

Lysin-Hortung

In ihrer aktuellen Untersuchung, an der auch David Pena von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien beteiligt war, nahmen die Wissenschafter die als Modellorganismus in der Forschung beliebte Bäckerhefe unter die Lupe. Dabei zeigte sich, dass die Hefezellen übermäßig viel Lysin horteten. Dieser molekulare Baustein wird zwar für die Produktion von zelleigenen Eiweißstoffen gebraucht, jedoch bei weitem nicht in diesen Mengen: Die Zellen häuften nämlich um 70- bis 100-fach mehr Lysin an, als sie zum reinen Wachstum benötigten.

Wozu diese "Lysin-Ernte" gut ist, wurde im Rahmen der weiteren Analysen klar: Die Hefezellen veränderten damit ihren Stoffwechsel. In der Folge stellten sie überdurchschnittlich große Mengen an Glutathion her. Hierbei handle es sich um eines der wichtigsten bekannten Moleküle, mit denen sich freie Radikale abfangen lassen. Auf diese Weise konnten die Zellen auch mit Konzentrationen an Radikalen umgehen, die eigentlich zu deren Tod geführt hätte. In weiterer Folge zeigte sich auch, dass diese Strategie nicht nur von verschiedenen Hefezellen, sondern auch von Bakterien angewendet wird.

"Unsere Studie zeigt also, dass Mikroorganismen Nährstoffe aus der Umgebung nicht nur für ihr Wachstum aufnehmen, sondern auch, um sich vorsorglich für einen möglichen Angriff freier Radikale zu rüsten", so Ralser. Umgekehrt könnte dieses neue Wissen auch dazu betragen, die Wirkung antimikrobieller Substanzen zu verbessern. Daran wollen die Wissenschafter nun weiter arbeiten, schreiben sie. (APA, red, 3. 8. 2019)