Cover: Europäische Rundschau 2019/2

Es muss nachdenklich machen, wenn sich in einer nachdenklichen Zeitschrift gleich drei Texte zu nur einem Land finden und alle drei mit Recht einen kritischen Zugang wählen. So geschehen in der neuen "Europäischen Rundschau", die sowohl im Rahmen ihres Schwerpunkts zum Antisemitismus zweimal auf Ungarn eingeht als auch gleich im folgenden Text noch einmal auf die "Medienpolitik in einem Mafiastaat" – womit ebenfalls das Orbán-Land gemeint ist.

Besonders letzterer Artikel, er stammt aus der Feder des "NZZ"-Korrespondenten in Brüssel, Niklaus Nuspliger, hat einmal mehr eine augenöffnende Wirkung: Er zeichnet nach, wie sich die ungarische Medienlandschaft Stück für Stück seit der Wiederwahl Viktor Orbáns zum Premier im Jahr 2010 verändert hat – und wie es der Regierung schleichend gelungen ist, fast alle relevanten Print-, TV-, Radio- und Onlinepublikationen auf die eine oder andere Art unter Kontrolle zu bringen.

Antisemitismus-Schwerpunkt

Aber auch der zweite Teil des Antisemitismus-Schwerpunkts, unter den die "Rundschau" das Jahr 2019 gestellt hat, ist durchaus geeignet, Sorgen zu mehren: Der Historiker Ferenc Laczó von der Uni Maastricht setzt sich mit dem Holocaust-Gedenken in Ungarn auseinander und spricht von einem "apologetischen Mainstream". Lesenswert ist der Text des Berufskollegen László Karsai von der Uni Szeged. Er nennt seinen Text "Geschichtsfälscher und das Gedenken an den Holocaust in Ungarn". Karsai stellt teils bitter-sarkastisch der Regierung und ihrer Geschichtspolitik ein übles Zeugnis aus – das gerät auch zu einer Abrechnung mit der regierungsnahen Historikerin Mária Schmidt.

Zum Denken regt auch eine Reflexion des israelischen Soziologen Natan Sznaider zu Israels Umgang mit "neuem Antisemitismus" an; bisher Unbekanntes liefert die Greifswalder Historikerin Cordelia Heß in ihrer Aufstellung zur Geschichte des Antisemitismus in Schweden und Nordeuropa. (Manuel Escher, 1.8.2019)