Einzelheiten über das Treffen der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Ungarns Premier Viktor Orbán in Brüssel drangen am Donnerstag nicht nach außen. Doch in Budapest war zu erfahren, dass Orbán von der EU-Kommission fordern wollte, "kein politisches, sondern ein exekutives Organ" zu sein.

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Viktor Orbán schießt sich auf den Ratsvorsitzenden Finnland ein.
Foto: Julien Warnard/Pool via REUTERS

In den Augen des Rechtspopulisten wurde nämlich die EU-Kommission in den neun Jahren seiner Amtszeit immer dann "politisch", wenn sie gegen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, gegen den Abbau der Demokratie und gegen korrupte Vorgänge in Ungarn vorging.

Ihre knappe Wahl im Europaparlament verdankte von der Leyen auch den 13 Stimmen, die sie von Fidesz bekam. Orbán jubelte anschließend, dass es gelungen sei, eine "christliche deutsche Mutter von sieben Kindern" zur nächsten Kommissionspräsiden tin zu machen. Dass sie innerhalb der CDU für vergleichsweise liberale Positionen steht, wissen in Ungarn nur Leser von Oppositionsmedien. Auch im Einsatz für die Rechtsstaatlichkeit dürfte sich von der Leyen kaum von Vorgänger Jean-Claude Juncker unterscheiden, den Orbán im Europa-Wahlkampf als Marionette George Soros' verunglimpfte.

Aber Orbán ist auch so weit pragmatischer Realist, dass er gerne auf das Pferd setzt, das gewinnt. Zugleich wäre er nicht Orbán, hätte er nicht die seit 1. Juli amtierende finnische Ratspräsidentschaft angegriffen. Diese hat sich die Weiterführung der EU-Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 gegen Ungarn und Polen zur Priorität gemacht. Orbáns Regierungssprecher Zoltán Kovács attestierte Finnland, selbst "nicht gerade ein Champion der Rechtsstaatlichkeit" zu sein, weil es in dem Land keine unabhängige Justiz und keinen Medienpluralismus gebe.

Der Konflikt zwischen den Regierungen in Budapest und Helsinki begann am 17. Juli, als Finnlands frischgebackener Ministerpräsident Antti Rinne vor dem Europaparlament forderte, Ländern, die trotz Warnungen aus Brüssel nicht im Einklang mit den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit handelten, künftig die Finanzmittel massiv einzuschränken.

Finnische Zurückhaltung

Die Reaktion aus Budapest folgte prompt. Zuerst meldeten sich Fidesz-nahe Blogger zu Wort, und kurz darauf ging Orbán höchstpersönlich auf Finnland los, indem er dem EU-Land im Norden angebliche Mängel im eigenen Rechts- und Bildungssystem vorwarf.

Die finnische Politik reagierte zuerst kaum. Außenminister Pekka Haavisto ließ sich bei einem TV-Auftritt lediglich zu der Bemerkung hinreißen, dies sei "kein normaler Umgang zwischen EU-Staaten". Und Europaministerin Tytti Tuppurainen beteuerte, die Beziehungen mit Ungarn seien trotz der Kritik aus Budapest in Ordnung, die Angelegenheit werde auf Ministerebene "sachlich und problemlos" diskutiert. Der ungarische Botschafter in Helsinki war ebenfalls um Schadensbegrenzung bemüht und verstieg sich in einem Interview zu der leicht bizarr anmutenden Formel, Finnland und Ungarn seien "gute Freunde und geliebte Sprachverwandte".

Anders sehen das freilich die finnischen Medien und die Opposition. Das Thema gehört seit zwei Wochen zu den Topstorys der Innenpolitik-Seiten praktisch aller großen Zeitungen und Internetportale des Landes. Zuletzt forderte Oppositionschef Petteri Orpo von der konservativen Sammlungspartei Regierungschef Rinne auf, rasch und scharf zu reagieren: Der gute Ruf Finnlands stehe auf dem Spiel. (Gregor Mayer, Andreas Stangl, 1.8.2019)