Bild nicht mehr verfügbar.

Genabschnitte ausradieren, die für Krankheiten verantwortlich sind – deutsche Wissenschafter wollen das über die Methylierung schaffen.

Foto: picturedesk

Im Laufe des Lebens verändert sich der Erbgutstrang eines jeden Menschen durch chemische Reaktionen und Ablagerungen von Molekülen. Das kann zu Krankheiten führen. Andererseits kann man daran auch das biologische Alter eines Menschen ablesen. Fraunhofer-Wissenschafterinnen und -Wissenschaftler haben jetzt im Projekt "Drug Target" eine Methode entwickelt, mit der sich der Zustand des Erbguts schnell überprüfen lässt – um Angriffspunkte für neue Medikamente zu entwickeln, aber auch um Menschen die Frage zu beantworten, wie gut sie sich gehalten haben.

Dynamischer Wandel

Früher glaubte man, dass das Erbgut ein Leben lang gänzlich unverändert bleibt, dass die Gene eine Matrize sind, von der die Information zum Bau der Eiweiße stets gleich abgelesen wird. Heute weiß man, dass sich das Erbgut im Lauf der Jahre verändern kann – und dass dabei auch Umwelteinflüsse oder die Lebensweise eine Rolle spielen.

Zu diesen Veränderungen gehören insbesondere die sogenannten Methylierungen. Dabei werden kleine Molekülbausteine, sogenannte Methylgruppen, nach und nach an bestimmten Stellen der DNA (Erbgut) angelagert. Das kann dazu führen, dass bestimmte Gene nicht mehr abgelesen werden können. Diese Veränderungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass an speziellen Stellen Genveränderungen auftreten. In der Folge können Krankheiten entstehen. Fachleute sprechen deshalb bei der Methylierung auch von einer "Verschmutzung der DNA".

Verschmutzung steuert

"Andererseits ist die Methylierung ein natürlicher Prozess, der bei jedem Menschen im Lauf des Lebens stattfindet", sagt Carsten Claussen vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) in Hamburg. Zudem werden durch die Methylierung beispielsweise bestimmte biologische Prozesse im Körper gesteuert.

Doch eine zu starke Methylierung kann zum Problem werden. So beeinflussen unser Lebenswandel, die Ernährung, das Rauchen, Alkohol oder andere Umweltfaktoren den Methylierungsgrad in unserem Genom, der im Lauf des Lebens immer weiter steigt. "Damit ist die Methylierung gewissermaßen ein Gradmesser für die Alterung des Körpers", sagt Carsten Claussen. Und damit wird es auch möglich, das biologische Alter des Menschen anhand des Methylierungszustands des Erbguts zu bestimmen.

Wie der Test funktioniert

Eine entsprechende Methode zur Messung des biologischen Alters haben Claussen und seine Mitarbeiter gemeinsam mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) entwickelt. Für den Test nimmt der Anwender mit einem Wattestäbchen einen Abstrich von der Mundschleimhaut und schickt diesen an ein Labor. Dort findet eine genetische Analyse statt, die Daten über die Gene und den Methylierungszustand der DNA liefert. Diese Daten werden anschließend mit einer am IME entwickelten Software analysiert.

Aus den Methylierungsdaten schließt die Software dann auf das biologische Alter. Erste Versuchsreihen an rund 150 Probanden zeigen, dass der Algorithmus sehr gut funktioniert. Wie sich zeigte, stimmen die Schätzungen des biologischen Alters bei gesunden und fitten Menschen meist erstaunlich gut mit dem tatsächlichen chronologischen Alter der Personen überein – und weichen nur um wenige Monate voneinander ab.

Wie alt bin ich wirklich?

Was man daraus machen kann? Das am Projekt beteiligte Unternehmen Cerascreen denkt darüber nach, künftig vor allem gesundheitsbewussten Menschen einen Test anzubieten, der Auskunft gibt, wie fit oder biologisch jung ihr Körper tatsächlich ist. Die Wissenschafter wollen gezielt Methylierung bestimmter Gene auflösen. Dadurch wollen sie an bestimmten Stellen den Alterungsprozess aufhalten, um die spätere Entstehung von Krankheiten zu verhindern.

Dabei spielt auch die künstliche Intelligenz eine Rolle. "Unser Algorithmus ist in der Lage, auch bislang unbekannte Felder im Erbgut zu finden, in denen relevante Gene stecken", sagt Claussen – also vor allem solche Gene, die aufgrund von Methylierungen möglicherweise ausfallen und somit ein Ziel für künftige Therapien sein könnten. (red, 5.8.2019)