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Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein könnte bis Jahresende im Amt bleiben.

Reuters/Piroschka van de Wouw

Bei sommerlichen Plaudereien im Bekanntenkreis, in den Internetforen, gelegentlich auch halb ernsthaft von Lesern, bekommt man immer häufiger die Frage gestellt: "Können wir diese Übergangsregierung nicht einfach behalten? Ist doch viel angenehmer."

Na ja, eine Zeitlang werden wir diese Regierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein und Vizekanzler/Justizminister Clemens Jabloner ohnehin behalten. Es sind noch zwei Monate bis zur Wahl, und dann beginnen erst die Koalitionsverhandlungen. Sie werden wahrscheinlich sehr zäh werden, denn die verschiedenen Varianten haben ihre Tücken. Sebastian Kurz, der wahrscheinliche Wahlsieger, hat eigentlich zu keinem der denkbaren Partner – FPÖ, SPÖ, Grüne, Neos – ein ungetrübtes Verhältnis. Besonders die FPÖ baut derzeit scheinbar unüberwindliche Hürden auf: Wir wollen das Innenministerium, am besten wieder unter Kickl!

Expertenregierung bis Jahresende

Es kann also dauern. Vielleicht bis Jahresende. So lange haben wir eine "Übergangs"- oder Expertenregierung. Warum scheint das sehr viele Leute nicht zu stören bzw. sogar positiv zu berühren?

Es ist der Mangel an politischem Hickhack, die Abwesenheit von ödem Gezänk in der Regierung, die Atmosphäre von ruhiger Kompetenz, die so wohltuend empfunden wird. Die Regierungsmitglieder haben alle ansehnliche berufliche Karrieren hinter sich, die meisten in der Verwaltung des Staates beziehungsweise in der Höchstgerichtsbarkeit (Bierlein war Präsidentin des Verfassungs-, Jabloner des Verwaltungsgerichtshofs). Sie haben politische Überzeugungen, aber keine Machtansprüche. Der Vorwurf lautet gelegentlich, sie würden nur verwalten, nicht gestalten. Das stimmt so nicht: Einige fragwürdige Entscheidungen der türkis-blauen Regierung wurden diskret entsorgt, Jabloner hat im Justizressort sogar einen bedrohlichen Konflikt zwischen Korruptionsstaatsanwaltschaft und Sektionschef Christian Pilnacek eingehegt und durch neue Vorschriften zum Weisungsrecht eine grundsätzliche Lösung gesucht. Außenminister Alexander Schallenberg folgt in der EU-Politik den Vorgaben seines früheren Chefs Sebastian Kurz, ist aber auch Kulturminister und liefert da im Festspielsommer weltoffene, weltgewandte Auftritte.

Altösterreichische Tradition der pflichtgeleiteten Hochbürokratie

Hier sind Leute, die ihr Handwerk gelernt haben und verstehen, die etwas darstellen im Leben, die überwiegend einer altösterreichischen Tradition der pflichtgeleiteten Hochbürokratie folgen und ihre Lebenserfüllung nicht darin sehen, den politischen Gegner "anzupatzen" bzw. sich pausenlos zu beschweren, dass sie angepatzt werden. Regieren geht auch ohne den Radau, die Heuchelei und die Niedertracht als Nationalkostüm. Das merken die Leute und empfinden es positiv.

Natürlich ist das "unpolitisch". Und natürlich geht das nur so lange, als die Regierung das Vertrauen einer Parlamentsmehrheit hat, was ihren Aktionsradius naturgemäß einschränkt. Echte Weichenstellungen sollten in der Demokratie nur von Regierungen initiiert werden, die sich auf eine Parteienmehrheit stützen können. Aber es spricht nichts dagegen, bei der nächsten Regierungsbildung die Minister mehr nach dem Prinzip der Expertise und menschlichen Reife auszuwählen. Vielleicht kann der Bundespräsident, der ja diese Expertenregierung eingesetzt hat, auf die Einhaltung solcher Kriterien bestehen. (Hans Rauscher, 4.8.2019)