Verbiegen Sie sich auch manchmal, um nicht sie selbst sein zu müssen? Liquid Loft (hier: Stephanie Cumming) präsentierte eine Arbeit zum Thema Authentizität.

Foto: Chris Haring

Manche Leute sind im Alltag verdammt gute Schauspieler. Andere wiederum kommen authentischer daher, als ihnen lieb ist. Und etliche geben sich so cool, dass man ihnen gern mit einem Schnauferl Sauerstoff zu Hilfe käme. Denn in ihrem Inneren sieht es oft viel interessanter aus. Im Grunde wissen alle um ihre Zerrissenheiten, aber kaum jemand weiß diese zu schätzen. Wie schade.

Ein Besuch bei Liquid Lofts Performances bringt uns da möglicherweise weiter. Die Gelegenheit ist günstig: Bei Impulstanz zeigen Choreograf Chris Haring, Musiker Andreas Berger und die Crew der Liquid-Loft-Langzeit-Rechercheure zum Thema Authentizität des Unauthentischen eine ganz neue Versuchsanordnung: Stand-Alones (polyphony) im Leopold-Museum.

Alleine stehen

Und wieder ist das Publikum nachvollziehbar begeistert von der Wiener Performancegruppe. Diesmal in den Räumen einer ganzen Museumsetage, in jedem Raum ein Performer, zwei Tonquellen und ein Menü in einem elektronischen Gerätchen, aus dem sie ihre aufeinanderfolgenden Parts auswählen. Wir alle kennen die perfide Aufforderung "Sei ganz du selbst", die im besten Fall ein tief fliegendes Hackl ist, dem es auszuweichen gilt. Harings Alleinstehende müssen nicht. Denn sie imitieren ja nur Möglichkeiten der Darstellung von kultureller Verbogenheit und Verwerfung.

Ein typisches Lquid-Loft-Leitmotiv zeigt sich, sobald die Performer ihre Münder aufmachen: als Trennung von Körper und Sprachquelle. Letztere ist immer eine Soundbox: Wir tendieren dazu, nachzusprechen, was uns aus dem sozialen und medialen Umfeld entgegenschallt. Und ehe man sich's versieht, wird man selbst zum Lautsprecher, der anlassbezogen abspielt, was ihm eingetrichtert ward. Das führen die "Stand-Alones" meisterhaft vor.

Nachplappern

Und weil wir permanent mit Zukunftsversprechungen gefüttert werden, sind wir dazu verdammt, nie im Jetzt zu sein. In diesem Fluch stecken auch die Liquid-Loft-Figuren fest. Was das mit ihren Körpern, die zugleich Innenleben und Kultureinflüsse repräsentieren, macht, sieht gar nicht gesund aus. Die "Stand-Alones" sind, wie ihre Zuschauer, isolierte Wesen, die sich mit Obsessionen herumschlagen, die nicht einmal ihre eigenen sind.

Das Vergnügen, ihnen dabei zuzuschauen, kommt aus der oft bitteren, mit Peinlichkeit spielenden Ironie ihrer Darstellung. Sie ermöglicht beim Zuschauen immer noch eine Distanzierung. Was natürlich ein Geschenk ist, da das Publikum ansonsten vor lauter Betroffenheit übersehen könnte, wie großartig die Darsteller arbeiten: Katharina Meves zum Beispiel oder Anna Maria Nowak und Dong Uk Kim. (Helmut Ploebst, 3.8.2019)