Polizisten bei einer Demonstration gegen Polizeigewalt in Wien.

Foto: APA/Hans Punz

Seit Wochen kursieren im Internet Videos von Szenen mutmaßlicher Polizeigewalt während einer Klimademonstration in Wien. Zu sehen ist darauf zum Beispiel, wie mehrere Polizisten einen Mann am Boden in Bauchlage fixieren, ein Beamter schlägt auf ihn ein. Im Hintergrund ist zu hören, wie jemand "In die Nieren! In die Nieren!" ruft.

Weitere Beamte versuchen währenddessen, Personen am Filmen zu hindern und das Geschehen abzuschirmen. Dass die Polizisten bei der Amtshandlung gefilmt werden, müssen sie sich jedoch gefallen lassen: Das urteilte der Oberste Gerichtshof. Hintergrund war eine Klage eines Polizisten, der bei einer Amtshandlung gegen einen Staatsverweigerer erkennbar gefilmt wurde. Das Material wurde online gestellt.

"Die Staatsgewalt muss bei einem hoheitlichen Einsatz mit Zwangsgewalt akzeptieren, dass diese Vorgänge festgehalten werden, zumal dadurch auch ein gewisser präventiver Effekt gegen allfällige rechtswidrige Übergriffe erreicht wird", zitiert die "Presse" den OGH. Eine gewichtige Einschränkung trifft das Gericht jedoch: Das Material hätte nicht online gestellt werden dürfen.

Belastendes Material

Was die Klimademonstration betrifft, stammt belastendes Videomaterial von Demonstranten beziehungsweisen Zeugen des Vorfalls. Die Exekutive selbst hat den Einsatz nicht festgehalten, wie eine parlamentarische Anfragebeantwortung von Innenminister Wolfgang Peschorn ergibt. "Bodycams kommen nicht flächendeckend zum Einsatz", schreibt Peschorn. Die Frage, weshalb bei dem Einsatz keine Bodycam zum Einsatz kam, ließ der Innenminister unbeantwortet.

Im Zusammenhang mit zwei Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft insgesamt gegen fünf Polizeibeamte. Von zwei Personen sei der Landespolizeidirektion Wien bekannt, dass sie im Zuge des Polizeieinsatzes Verletzungen davongetragen haben. Das geht aus der Anfragebeantwortung an die Liste Jetzt hervor.

Ein Vorfall betrifft eine Person, die eine Rissquetschwunde im Kopfbereich davongetragen hat. Der zweite Vorfall betrifft die eingangs geschilderte Szene. Wegen der Diskrepanz zwischen den Aussagen der Beamten vor Gericht, es habe sich ihrerseits um zwei bis drei Schläge gehandelt, und jener Anzahl, die im Video zu sehen ist, stellt Peschorn eine mögliche Manipulation des Videos in den Raum: Der Umstand lasse sich "wohl auf die nachfolgende Bearbeitung (Wiederholung von Sequenzen)" zurückführen.

Keine Suspendierung

Vorläufig suspendiert wurde jedenfalls keiner der involvierten Beamten. Es wurde auch kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dies rechtfertigt Peschorn damit, dass der Sachverhalt noch nicht abschließend festgestellt worden sei. Was seitens des Innenministeriums jedenfalls schon festgestellt wurde: Das Ansehen das Amtes wird durch die Vorfälle als "nicht gefährdet" eingeschätzt. Ein Beamter wurde in den Innendienst versetzt.

Keine Antwort gibt es von Peschorn auf die Frage, ob gegen die involvierten Beamten bereits zu früheren Zeitpunkten Misshandlungsvorwürfe vorlagen. Nationalratsabgeordnete und Anfragestellerin Stephanie Krisper (Neos) übt daran scharfe Kritik: "Wenn Polizei und Justiz das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht verlieren wollen, muss es eine rasche, transparente und unabhängige Aufklärung geben. Transparent ist in diesem Fall, wie immer bei Fällen von möglicher Polizeigewalt, aber fast gar nichts."

Seit Jahren wird von Experten kritisiert, dass Fälle mutmaßlicher Polizeigewalt polizeiintern – und nicht von einem unabhängigen Gremium untersucht werden. In Wien wurden im Jahr 2018 251 Fälle von Misshandlungsvorwürfen bekannt. Zu einem Disziplinarverfahren kam es in einem Fall. (Vanessa Gaigg, 5.8.2019)