Medien an US-Präsident Trump: Wer Hass sät, erntet Gewalt.

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"The New York Times" (New York): Beileid auf Twitter reicht nicht

James Comey, ehemaliger FBI-Direktor, in einem Gastkommentar: "Jeder amerikanische Präsident, der weiß, was tief in unserem Land liegt, trägt eine einzigartige Verantwortung, laut und konsequent zu sagen, dass die weiße Vorherrschaft illegal ist, dass die Förderung einer Politik der Rassenfeindlichkeit Gewalt hervorrufen kann und dass Gewalt, die gegen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe gerichtet ist, Terrorismus ist.

Herr Präsident, aufgrund dessen, was Sie getan haben, schulden Sie uns mehr als das Beileid, das über Twitter geschickt wurde. (...) Die überwiegende Mehrheit der Amerikaner glaubt an die Kernideale unserer Gründungsdokumente, und wir erwarten, dass unsere Kultur diese Ideale widerspiegelt. Zeigen Sie uns, dass Sie auch an diese glauben."

"The Washington Post" (Washington): Was ein Präsident sagen müsste

In einem Kommentar der Redaktionsleitung wird beschrieben, was ein Präsident "nach einem Wochenende schrecklicher und hasserfüllter Gewalt" sagen müsste: "Heute fordere ich den Kongress auf, zu einer sofortigen gemeinsamen Sitzung nach Washington zurückzukehren (...) und Maßnahmen zur Bekämpfung von Waffengewalt zu ergreifen. Erlassen Sie ein Verkaufsverbot für Sturmgewehre im militärischen Stil sowie für leistungsstarke Magazine. Diese Waffen wurden für den Krieg entwickelt; ihr Zweck ist, so viele Menschen wie möglich so schnell wie möglich zu töten. Es gehört nicht auf unsere Straßen.

Machen Sie Hintergrundprüfungen obligatorisch. Und für diejenigen, die andere Ideen haben, wie zum Beispiel Bundeslizenzen und Rückkäufe, melden Sie sich, und wir werden daran arbeiten. (...) Wir müssen uns von einer Interessenvertretung befreien. Ich werde mich persönlich für die Lösungen einsetzen und die Teilnehmer beider Seiten einladen, sich mir anzuschließen."

"Die Süddeutsche" (München): Ursachen thematisieren

"Die Rechte warnt nun bereits wieder davor, die Attentate zu 'politisieren'. Dabei ist das Problem genau umgekehrt gelagert: Sie werden viel zu wenig politisiert. Man stelle sich vor, islamistische Terroristen hätten innerhalb weniger Tage 32 Menschen in den USA getötet: Niemand würde sich mit 'Gedanken und Gebeten' begnügen, niemand die Morde als isolierte Taten von psychisch Kranken abtun, niemand über den Einfluss von Ballergames schwafeln. Sondern stattdessen über die Ursachen der Gewalt sprechen – und was dagegen getan werden muss."

"Independent" (London): Vergiftete Debatte

"Der US-Präsident hat den 'tragischen' Anschlag in El Paso zwar als 'Akt der Feigheit' und 'Akt des Hasses' verurteilt. Doch seine Kritiker haben nicht ganz Unrecht. Absichtlich und zynisch hatte Trump die Rassenkarte gezogen, als er beim Auftakt der Kampagne für seine Wiederwahl vier nichtweißen Kongressabgeordneten der Demokraten empfahl, in ihre vermeintlichen Heimatländer 'zurückzukehren' – wobei drei der vier Frauen in den USA geboren wurden. (...)

Wenn Trump sich das nächste Mal in diese Richtung bewegt, was er ganz sicher tun wird, dann sollten seine Bewunderer daheim und im Ausland innehalten und an El Paso denken. Wir können über die Motive des Mörders noch nicht sicher sein. Aber wir können sicher sein, dass der US-Präsident die Debatte über Einwanderung so vergiftet hat – einschließlich seiner ungerechtfertigten Angriffe auf Hispanoamerikaner und Mexikaner –, dass dies zu schwerwiegenden Konsequenzen führen kann. El Paso könnte eine davon sein."

"Die Welt" (Berlin): Wer Hass sät, erntet Gewalt

"Man muss nicht drum herumreden: Das politische Klima in den USA ist so vergiftet wie lange nicht mehr. Der inländische Terrorismus wird immer stärker von rassistischer Ideologie geprägt und befördert. Wer Hass sät, erntet Gewalt. Ausgerechnet der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika trägt zu einem Klima von Angst und Ausgrenzung bei. Die amerikanische Zivilgesellschaft ist vital wie eh und je. Gerade in Tagen wie diesen wäre ihr ein Präsident zu wünschen, ein Staatsoberhaupt, das versöhnt, statt zu spalten.

"El Mundo" (Madrid): Macht der Waffenlobby

"Es ist mehr als offensichtlich, dass die Vereinigten Staaten ein ernstes Problem der Unsicherheit haben und dass es ein Ausmaß an Gewalt gibt, das von den Bürgern keines anderen entwickelten Landes im Westen akzeptiert würde – man muss sich nur einmal vorstellen, was bei solch einem Szenario in Europa passieren würde. Aber die politische Klasse ist entschlossen, nichts zu ändern, unter anderem wegen der Macht der bedeutenden Waffenlobby. (...)

Trumps Einzug ins Weiße Haus hat die Position derjenigen noch verstärkt, die betonen, dass es keine Hindernisse für die persönliche Entscheidung geben darf, sich bis zu den Zähnen zu bewaffnen, unabhängig davon, wie viele Morde dieser Wahnsinn nach sich zieht."

"Lidové noviny" (Prag): Kaum Studien

"In den USA gibt es erstaunlich wenige wissenschaftliche Studien zu dem Thema. (...) Die ganze Diskussion ist derart politisiert, dass niemand Forschungsarbeiten zu der Frage finanzieren will. Doch ohne rationale Erkenntnisse bleibt nur die emotionale Debatte – und auf diesem Weg findet sich nur schwer ein Kompromiss."

"De Volkskrant" (Amsterdam): Rechtsextreme Verschwörungstheorie

"Was sich wie ein roter Faden durch die Angriffe zieht, ist die rechtsextreme Verschwörungstheorie, dass linke Eliten bewusst in Richtung Masseneinwanderung steuern würden. Dabei werde die weiße Zivilisation angeblich durch außereuropäische Völker 'ersetzt' werden. (...) Sowohl die Alt-Right- als auch die rechtsextreme Identitären-Bewegung haben in den letzten Jahren die Theorie des 'Großen Austauschs' verinnerlicht. Sie wird zunehmend über soziale Medien verbreitet und hat je nach Kontext viele Varianten. Untersuchungen des Magazins "Time" zufolge gab es im Jahr 2018 zu dieser Theorie fast 330.000 Tweets, im Vergleich zu 2014 eine Verdreifachung. Die Mär des demografischen Umbruchs ist international in den rechtsnationalistischen politischen Parteien fast schon zum Gemeingut geworden."

"Tages-Anzeiger" (Zürich): Längst Mainstream

"'Eine unbequeme Wahrheit' heißt das rassistische Manifest, das vermutlich vom Mörder von El Paso stammt. Die unbequeme Wahrheit ist allerdings diese: Das Manifest ist nicht einfach die Hassfantasie eines Einzelnen. Vieles von dem, was dort steht, ist längst in den amerikanischen Mainstream eingedrungen. Beim Fernsehsender Fox News hört man fast jeden Abend, wie dunkelhäutige Einwanderer angeblich weiße Amerikaner bedrohen. Mit Donald Trump sitzt im Weißen Haus ein Präsident, der offen und immer schriller an rassistische Gefühle appelliert, der mit der Bewirtschaftung von Ressentiments auf Wahlkampf geht. Im Land gibt es viele, bei denen diese Töne auf Gehör stoßen. Militante Rassisten, die problemlos an Schusswaffen gelangen: Das ist eine tödliche Kombination. Vielleicht hat Amerikas Albtraum gerade erst begonnen."

"Sme" (Bratislava): Radikale Todesengel

"Nach El Paso sehen wir, dass die Radikalen ihren Mann im Präsidentenamt haben können und trotzdem nicht aufhören, als Todesengel aufzutreten. Damit können wir also wieder zur Sicht zurückkehren, dass es sich einfach um Extremisten mit einer Neigung zum Terror handelt. Und solchen darf man nicht nachgeben." (APA, red, 5.8.2019)