Ende Juni ließ Sebastian Kurz mit dem Sager aufhorchen, er wolle Österreich zur Wasserstoffnation Nummer eins machen. Sein Hauptaugenmerk legte er dabei auf den Verkehr. Bis 2025 solle es flächendeckend in ganz Österreich Wasserstofftankstellen geben, meinte er, und ein Wasserstoffzentrum, in dem innovative Unternehmen in einem Cluster zusammengeführt werden – wie etwa die OMV und der Verbund. Zumindest auf die OMV werden wir in Kürze wieder zu sprechen kommen, aber schauen wir uns erst einmal an, wie klug es war und wie gescheit es ist, Autos mit Wasserstoff zu betreiben. Die Idee ist ja nicht ganz so neu, wiewohl Sebastian Kurz ebendiese für innovativ hält.

In Stanford holte sich Sebastian Kurz bei Physikprofessor Friedrich Prinz Ezzes über Wasserstoff als Energiequelle.
Foto: ÖVP / Glaser

Der französische Offizier François Isaac de Rivaz baute bereits 1807 das erste Wasserstoffauto. Die ersten Elektroautos fuhren erst mehr als 20 Jahre später. Der "Benz Patent-Motorwagen Nummer 1", das erste moderne Automobil mit Verbrennungsmotor – und das hatte nur drei Räder –, rollte 1886 erstmals selbstständig durch Mannheim. Und jetzt, so viele Jahre später, soll es doch der Wasserstoff sein, der die individuelle Mobilität revolutionieren soll?

Die Geschichte des Treibstoffes Wasserstoff

Obschon, da ist doch einiges passiert, zwischen 1807 und heute. François Isaac de Rivaz nutzte noch einen Ballon als Tank für den Wasserstoff, der in einem Zweitakt-Explosionsmotor verbrannt wurde. Inzwischen leitet man den Wasserstoff in eine Brennstoffzelle, wo er zu Wasser oxidiert wird und die freiwerdende Energie als Strom anfällt, den man für den Antrieb von E-Motoren benutzt.

Fast jeder namhafte Autobauer hat sich bis heute an irgendeiner Methode, den Wasserstoff zum Vortrieb zu nutzen, versucht. Volkswagen, BMW, Ford, Peugeot, Nissan, General Motors. Zur Marktreife und zum Serienauto haben es Toyota mit dem Mirai, Hyundai einst mit dem ix35, jetzt mit dem Nexo und Honda mit dem Clarity geschafft – wobei nicht alle dieser Fahrzeuge in Österreich erhältlich sind. Demnächst startet auch Mercedes-Benz mit dem GLC F-Cell. Hebt da also wirklich ein Hype an. Das könnte sogar sein, wie ein Blick in die Zulassungen nahelegt.

Der Nexo von Hyundai ist ein aktuell in Serie produziertes Auto mit Brennstoffzelle.
Foto: Guido Gluschitsch

Von Jänner bis Juni 2019 wurden in Österreich neun Kraftfahrzeuge mit Brennstoffzelle angemeldet. Das sind um neun Fahrzeuge mehr als im Vergleichszeitraum 2018. Insgesamt beträgt der Bestand an Wasserstofffahrzeugen in Österreich – Stand 30. Juni 2019 – 35 Stück. In Relation dazu wurden von Jänner bis Juni 2019 in Österreich 175.909 Fahrzeuge neu zugelassen, und der Gesamtfahrzeugbestand liegt bei 5.022.619 Stück. Zieht man jetzt auch noch die Vorführ-, Test-, und Händlerfahrzeuge ab, bleiben kaum mehr Autos als Wasserstofftankstellen übrig. Derer gibt es in Österreich derzeit fünf.

Sauberer Wasserstoff?

Stellen Sie sich unter einer Wasserstofftankstelle auch einen Kasten vor, in dem aus Solarstrom – blubber blubber – durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt wird? Die Realität ist aber eine andere.

Die Wasserstofftankstelle in Wiener Neudorf, an der gerade ein Honda getankt wird.
Foto: Guido Gluschitsch

Alle großen, öffentlichen Wasserstofftankstellen in Österreich werden von der OMV betrieben. Da ist sie übrigens wieder, die OMV. Und die OMV erzeugt den Wasserstoff für die Tankstellen gar nicht aus regenerativen Quellen, Solarstrom und Wasser, sondern gewinnt ihn über die Dampfreformation aus Erdgas – also einem fossilen Energieträger.

Unter diesen Vorzeichen ist die Annahme, dass Wasserstoff die Lösung für unsere Umweltprobleme des Individualverkehrs sein könnte, ein ziemlicher Unsinn. Eine Abkehr von fossilen Energieträgern ist es derzeit jedenfalls nicht. Darum bekommt man für Wasserstoffautos in Österreich anders als für E-Autos keine Umweltförderung, denn für deren Erhalt muss der Einsatz von Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energieträgern nachgewiesen werden. Der Strom, der die Brennstoffzelle verlässt, schafft dieses Kriterium derzeit jedenfalls nicht.

Gehen wir davon aus, dass Sebastian Kurz das alles weiß. Dann ist es doch seltsam, die Wasserstoffthematik derartig hoch auf seine neue Umweltagenda zu heften. Zurück zur OMV: Auf der Liste der Parteispenden aus dem Jahr 2017 befand sich auch der Name des Procter&Gamble-Managers Wolfgang Berndt. Er spendete damals 25.000 Euro an die Junge ÖVP. Berndt wurde im Mai 2019 zum Aufsichtsratsvorsitzenden der OMV. Zudem sitzt er im Aufsichtsrat der Miba AG und der Mitterbauer-Beteiligungs AG von Peter Mitterbauer – ebenfalls ein Kurz-Spender. Das aber nur so nebenbei.

Potenzial

Würde Österreich tatsächlich zur Wasserstoffnation Nummer eins aufsteigen, gäbe es also eine Reihe von Gewinnern. Wer dabei auf der Strecke bleiben würde, ist in diesem Szenario die Umwelt. Schade eigentlich, denn Wasserstoff hätte tatsächlich das Potenzial zum idealen Energieträger. Nur müsste man ihn halt regenerativ erzeugen – etwa durch Elektrolyse von Wasser mit überschüssigem Strom aus Windkraft- oder Solaranlagen – und nicht im Personenindividualverkehr verbrennen. Die große Stärke des Wasserstoffantriebs liegt nämlich in anderen Anwendungsbereichen.

Der Tankvorgang mit Wasserstoff dauert nur unwesentlich länger als bei einem Auto mit konventionellem Antrieb. Mit bis zu 700 Bar wird der Wasserstoff dabei in die Tanks des Wagens gepumpt.
Foto: Guido Gluschitsch

Große Lasten mit hohem Tempo über weite Strecken zu transportieren – dafür ist der Wasserstoffantrieb ideal. So ersetzen auf der nichtelektrifizierten Bahnstrecke zwischen Buxtehude und Cuxhaven bereits zwei Wasserstoffzüge Dieselloks. Auch im emissionslosen Fernschwerverkehr hat Wasserstoff als Treibstoff gute Chancen. Wollte man weite Distanzen zurücklegen, würden wohl das hohe Gewicht der riesigen Akkus und die lange Ladedauer die Fernreise recht ineffizient machen.

Wasserstoff ist auch das Grundmaterial für synthetische Treibstoffe, also Benzin- und Dieselersatz, der nicht aus Erdöl stammt. Für diesen Sprit müssten zudem keine Nahrungs- und Futtermittel verwendet werden, wie es dem Biosprit ja oft angekreidet wird. Allein die Herstellung des Treibstoffs ist heute im Verhältnis noch recht teuer – dafür würde beim Verbrennen kein Kohlendioxid anfallen, das in der Produktion nicht schon gebunden wurde.

Noch eine weitere Chance gibt es für den Wasserstoff – und damit kommen wir noch einmal zurück zum Erdgas. Er kann dem Erdgas nämlich beigemischt und so über die gleichen Leitungen transportiert werden.

Mercedes-Benz wird mit einem Brennstoffzellen-Plug-in-Hybrid auf den Markt kommen.
Foto: Daimler

Und auch in Immobilien

Erst ab 1969 wurde das Gasnetz in Wien von Stadtgas auf Erdgas umgestellt. Stadtgas wurde durch Entgasen aus Steinkohle erzeugt und bestand etwa zur Hälfte aus Wasserstoff. Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, dass man dem Erdgas auch heute noch bis zu 50 Prozent Wasserstoff beimischen könnte, ohne dass es zu Problemen an den Leitungen komme. Damit würde man auch das Heizen in Wien mit relativ wenig Aufwand deutlich umweltfreundlicher machen. In kleinen Projekten passiert ein derartiges Beimischen auch schon ganz gut.

Und wie schaut es mit der individuellen Mobilität aus? Da hat derzeit bei einer Fahrleistung von mehr als 150.000 Kilometern das Elektroauto die Nase vorn, wie ein Vergleich des Fraunhofer-Instituts zeigt. Zumindest stimmt das, wenn man neue Fahrzeuge miteinander vergleicht. Jetzt aber sofort zu einem Händler stürmen, um ein neues E-Auto zu kaufen, wäre ökologisch falsch. Denn besser für die Umwelt ist es, weiterhin das alte Auto zu fahren. Das mag für manchen im ersten Moment völlig an den Haaren herbeigezogen klingen. Doch wenn man die Umweltbelastung miteinrechnet, die bei der Produktion eines neuen Wagens entsteht, kann man den alten Kübel oft noch zehn Jahre lang fahren, bis man da mit einem Neuen pari steht. (Guido Gluschitsch, 6.8.2019)