Clemens Tönnies sorgte für kollektives Kopfschütteln.

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Gelsenkirchen – Die Zukunft von Clemens Tönnies liegt in den Händen von drei Juristen, einem Pfarrer und einem Steuerberater. Wenn der Aufsichtsratsvorsitzende von Schalke 04 am Dienstag wegen seiner rassistischen Entgleisung reumütig vor den Ehrenrat des Fußball-Bundesligisten tritt, ist von einer Verwarnung bis hin zur Amtsenthebung alles möglich.

Das fünfköpfige Gremium wird Tönnies löchern, um zu erfahren, wie es zu den heftig kritisierten Äußerungen des 63-Jährigen kommen konnte. Eine Entgleisung, die eklatant gegen die Satzung und das Leitbild des Vereins verstößt und die auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) größte Fassungslosigkeit hervorrief.

Cacau schockiert

"Mich haben die verächtlichen Worte schockiert, und je länger ich darüber nachdenke, desto unvorstellbarer wird es, dass ein Mann seiner Position und Erfahrung so generalisierend und abfällig über die Bevölkerung eines ganzen Kontinents spricht", teilte der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau am Montag mit.

Aufgrund der "besonderen Verantwortung" sollten sich Fußballer und Funktionäre nach Ansicht des Ex-Nationalspielers vielmehr "gegen Rassismus authentisch und mit aller Kraft einsetzen und nicht an einer Spaltung mitwirken, die ohnehin in unserer Gesellschaft spürbar ist".

Tönnies bereut Wortwahl

Fleischfabrikant Tönnies hatte am Donnerstag bei der Festveranstaltung zum "Tag des Handwerks" in Paderborn eine Rede zum Thema "Unternehmertum mit Verantwortung – Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung" gehalten. Der Schalke-Boss empfahl dabei die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika und sagte: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren."

Am Freitag bezeichnete Tönnies seine Wortwahl in einer ersten Entschuldigung als in "Inhalt und Form unangebracht". Tags darauf zeigte sich Tönnies, seit 2001 der starke Mann beim Traditionsklub aus Gelsenkirchen, abermals reumütig. "Ich bin über mich selbst bestürzt, dass mir so etwas passieren konnte. Da hilft kein drumherum reden, da hilft auch keine Verschlimmbesserung, es war schlicht töricht", sagte er der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und beteuerte, er werde das "wiedergutmachen".

Gegen das eigene Leitbild

Wie er das anstellen will, soll er am Dienstag dem Ehrenrat erläutern. Immerhin hat Tönnies dem am 3. Juni 2012 verabschiedeten Leitbild widersprochen, in dem es bei Punkt 8 heißt: "Von uns Schalkern geht keine Diskriminierung oder Gewalt aus. Wir zeigen Rassismus die Rote Karte und setzen uns aktiv für Toleranz und Fairness ein."

Auch deshalb reagierte der ehemalige Schalker Bundesliga-Profi Gerald Asamoah, noch immer in verschiedenen Funktionen für den Verein tätig, mit großer Bestürzung. Er sei "etwas sprachlos", schrieb der 43-malige Nationalspieler bei Instagram: "Ich arbeite schon lange mit Clemens Tönnies zusammen, und wir sind auch schon lange eng befreundet. Mir gegenüber hat er sich nie rassistisch verhalten. Seine Äußerung hat mich sehr überrascht, geschockt und auch verletzt."

Rehhagel und Stevens stehen zu Tönnies

Unterstützung erfährt Tönnies von zwei Trainer-Ikonen. "Ich habe ihn stets als ehrlichen und sehr sozial engagierten Menschen kennengelernt. Als einen, dem nur wichtig ist, wie sich ein Mensch verhält und nicht, woher er kommt", sagte Trainer-Ikone Otto Rehhagel den Funke-Medien, "ihm tut seine Aussage leid – zu Recht, denn sie war falsch und unpassend. Diese ernst gemeinte Entschuldigung nehme ich Clemens ab."

Auch Schalkes Jahrhunderttrainer Huub Stevens stellte sich demonstrativ hinter den Schalke-Boss: "Wer ihn kennt, wer seit langem mit ihm zusammenarbeitet, der weiß, dass Clemens die Menschen mag wie sie sind – völlig unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Ihm geht es stets um den Charakter eines Menschen – nie um die Farbe seiner Haut." Er nehme Tönnies dessen Entschuldigung ab: "Ich habe Vertrauen in ihn, dass ihm so etwas nicht noch einmal passiert."

Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel meinte zwar, "der Spruch" sei "garantiert daneben" gewesen. Er will allerdings den milliardenschweren Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück allerdings nicht zum Rassisten stempeln. Das sei "absoluter Quatsch. Wer ihn kennt, weiß, dass das nun wirklich nicht stimmt", so der ehemalige Wirtschaftsminister: "Vor allem aber verniedlicht dieser Vergleich die wirklichen Rassisten." (sid, 6.8.2019)