Boris Johnson verspricht Milliarden für Spitäler und Polizei.

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London – Der britische Premierminister Boris Johnson ist nach Angaben aus Regierungskreisen in London "bereit und willig", mit der EU einen neuen Austrittsvertrag zu verhandeln. In der britischen Regierung wurde am Dienstag einem Bericht des "Guardian" widersprochen, dass Johnson einen EU-Austritt ohne Vereinbarung anstrebe.

"Wir wollen ein Abkommen. Es ist schade, dass sie nicht mit uns verhandeln wollen", sagte ein Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte, über die Diskussionen mit der EU. Das von der früheren Premierministerin Theresa May ausgehandelte Austrittsabkommen war dreimal im britischen Unterhaus gescheitert.

Die EU hatte allerdings immer wieder betont, dass es keine Nachverhandlungen über den Austrittsvertrag selbst geben könne, der die Pflichten und Rechte des Königreichs beim Verlassen der EU regelt. Die EU und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hatten Johnson aber Neuverhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien angeboten. Dies lehnt der konservative Premierminister allerdings ab. Johnson wurde deshalb unterstellt, dass er mit Blick auf die politische Konkurrenz durch die Ukip- und Brexit-Partei unbedingt einen Austritt seines Landes zum 31. Oktober durchsetzen möchte – notfalls auch ohne ein Abkommen mit der EU.

Johnson im Wahlkampfmodus

Der Premierminister hat zuletzt milliardenschwere Zuschüsse für das angeschlagene öffentliche Gesundheitssystem National Health Service (NHS) angekündigt. Damit wolle er eines seiner Versprechen aus der Brexit-Kampagne des Jahres 2016 einlösen, erklärte Johnson. Die Ankündigung nährt Spekulationen über mögliche vorgezogene Neuwahlen.

Johnson versprach zusätzlich 1,8 Milliarden Pfund (rund zwei Milliarden Euro) an Sofortmaßnahmen für den NHS. Bis zum Jahr 2023 sollen sogar 20 Milliarden Pfund ins Gesundheitswesen fließen.

Bereits während seiner Kampagne für den EU-Austritt 2016 hatte Johnson damit geworben, pro Woche 350 Millionen Pfund – der Betrag, den Großbritannien in der EU beisteuert – in die Gesundheitspolitik zu investieren. Dabei unterschlug er jedoch, dass Großbritannien wöchentliche Rückzahlungen in der Höhe von 85 Millionen Pfund von Brüssel erhält. Zu Johnsons konkreten Versprechen gehörte die Modernisierung von 20 Krankenhäusern.

NHS hat sechs Milliarden Schulden

Die oppositionelle Labour Party bezweifelte indessen, ob die Maßnahme jahrelange Kürzungen in der Gesundheitsversorgung auffangen würde. Auch das Politikinstitut Nuffield Trust kritisierte, dass die von Johnson versprochenen Zuschüsse nur einem Bruchteil des nötigen Geldes für die Modernisierung von 20 Krankenhäusern entsprächen. Der NHS verzeichne einen Zahlungsrückstand von sechs Milliarden Pfund, betonte der Nuffield Trust.

In London wird spekuliert, dass der Regierungschef vorgezogene Neuwahlen anstrebt. Erst kürzlich hatte Johnson mehr Geld für die Polizei versprochen, außerdem reist er in Wahlkampfmanier durchs Land. Seit einer Nachwahl am Donnerstag, bei der ein bisher von einem konservativen EU-Gegner gehaltener Sitz an die proeuropäischen Liberaldemokraten gegangen ist, verfügt er nur noch über eine Mehrheit von einer Stimme im Parlament. (red, Reuters, APA, 6.8.2019)