Wissenschaft ist auch Marketing. Ergebnisse werden häufig geschönt, zeigte eine Studie im "BMJ".

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Wird die klinische Signifikanz einer speziellen Behandlungsmethode als übertrieben hoch dargestellt, ohne dass die statistischen Tests die Hypothese stützen, spricht man im Englischen von einem "Spin" – einer Verdrehung und Beschönigung der Tatsachen.

Durch einen solchen Spin vermarkten Wissenschafter ihre Untersuchungen als aussagekräftiger, als sie tatsächlich sind. Speziell in der kurzen Zusammenfassung der Studienergebnisse – dem Abstract – werden nicht signifikante Ergebnisse als "effektvoll" präsentiert und unerwünschte signifikante Ergebnisse "versteckt", wie Forscher des Center for Health Sciences der Oklahoma State University in einer Studie herausgefunden haben.

Spin it

Im Abstract können die Studienautoren selbst entscheiden, welche Ergebnisse sie hervorheben und welche nicht. Diese Selektion kann zu einer missverständlichen Interpretation der Ergebnisse führen. Im Idealfall sollte anderen Wissenschaftern ein solcher Spin im Abstract einer Studie auffallen, da die Datenanalysen in der Publikation enthalten sein müssen und somit beschönigende Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können. Die nun im "BMJ"-Journal veröffentlichte Studie zeigte aber, dass die Praxis, zumindest im Fall einiger einflussreicher Psychologie- und Psychiatrie-Journals, oft nicht dem Ideal entspricht.

Um herauszufinden, wie häufig es zu einem solchen Spin in den Abstracts von Untersuchungen kommt, überprüften die Forscher der Oklahoma State University 116 randomisierte kontrollierte Studien, die zwischen 2012 und 2017 in renommierten Psychologie- und Psychiatrie-Fachmagazinen veröffentlicht wurden. Randomisierte kontrollierte Studien stellen den Goldstandard unter den Studientypen dar und haben einen dementsprechend großen Einfluss auf die klinische Versorgung von Patienten.

Aufpolierte Ergebnisse

Die Studienautoren beschränkten sich bei ihrer Analyse auf jene Studien, deren primäre Ergebnisse statistisch nicht signifikant waren. So wollten sie herausfinden, wie viele der Forscher ihre Ergebnisse als aussagekräftiger dargestellt hatten, als sie es in Wirklichkeit waren.

Die Forscher analysierten Titel, Ergebnis und Conclusio der Abstracts. In 65 der 116 inkludierten Studien konnten die Autoren einen Spin feststellen – das entspricht einem Anteil von 56 Prozent. In zwei Untersuchungen war bereits der Titel irreführend, in 24 Fällen (21 Prozent) enthielt die Präsentation der Ergebnisse einen Bias, und in 57 Abstracts (49 Prozent) war die Conclusio verfälscht. In 17 Studien (15 Prozent) konnten die Wissenschafter sowohl in der Darstellung der Ergebnisse als auch in der Conclusio einen Spin feststellen. Insgesamt waren zwölf klinische Studien von der Industrie gesponsert, davon wiesen zehn (83 Prozent) einen Bias auf.

Fehlgeleitete Ärzte

Da alle überprüften Studien in renommierten Journals veröffentlicht wurden, liegt der Schluss nahe, dass die "aufpolierten" Ergebnisse in den Abstracts auch die Behandlungsentscheidungen von Ärzten beeinflussen.

"Wissenschafter haben eine ethische Verpflichtung, die Ergebnisse ihrer Forschung ehrlich und unmissverständlich zu präsentieren. Ein Spin in den Abstract kann dazu führen, dass Mediziner daraus unangemessene Behandlungsempfehlungen für ihre Patienten ableiten. Schließlich lesen die meisten Ärzte nur die Abstracts der Studien", schreiben die Autoren. Die Forscher betonen aber, dass sich ihre Ergebnisse nicht pauschal auf alle klinischen Studien in Psychologie- und Psychiatriejournals umlegen lassen. (red, 13.8.2019)