Am Montag legte die FPÖ erste Ergebnisse ihrer Historikerkommission vor: Ex-EU-Mandatar und Leiter der Koordinierungsgruppe Andreas Mölzer, FP-Generalsekretär Christian Hafenecker und Kommissionsleiter Wilhelm Brauneder.

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Lob und Anerkennung gab es nicht. Im Gegenteil. Der Rohbericht der FPÖ-Historikerkommission sorgte nach der Vorlage einer ersten Kurzzusammenfassung für scharfe Kritik. "Lückenhaft", "Chance verpasst" und "peinlicher Eiertanz" lauteten einige der Reaktionen. Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb ortete den Versuch einer Reinwaschung. Außerdem bemängelt er das Fehlen wissenschaftlicher Standards.

Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes kritisiert unter anderem, dass im FPÖ-Historikerbericht historische Persönlichkeiten beschönigend dargestellt würden.
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Tatsächlich finden sich in der Kurzzusammenfassung hauptsächlich Überschriften und keinerlei Neuigkeiten. Immerhin wurde erstmals in einer FPÖ-Publikation erwähnt, dass es überdurchschnittlich viele ehemalige Nationalsozialisten in hohe Positionen innerhalb der Partei geschafft haben. Ein Umstand, für den die Partei aber seit ihrer Gründung im Jahr 1955 immer wieder scharf kritisiert wurde.

Unklarer Forschungsinhalt

Am Dienstag sorgte Wilhelm Brauneder, Vorsitzender der Kommission, für Unklarheiten über den Forschungsinhalt. Im Ö1-"Morgenjournal" vom Dienstag sagte er, dass es der "Kommission nicht nur um die Aufarbeitung der sogenannten braunen Flecken, sondern um ein Bild der FPÖ insgesamt in ihrer politischen Darstellung" gegangen sei. Allerdings ist in der Zusammenfassung zu lesen, dass sie eingerichtet wurde, um "die braunen Flecken" zu untersuchen.

Historiker Gerhard Baumgartner, der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, erläutert seine Kritik am Bericht der FPÖ-Historikerkommission. Ihm zufolge fehlen bedeutende Teile, etwa personelle Überschneidungen mit der rechtsextremen Szene.
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Warum sich die Kommission mit Themen wie Wehrpolitik oder Frauen beschäftigt hat, bleibt weiter unklar. Dafür fehlen Analysen der internen Parteivorstandsprotokolle der FPÖ zu NS-Themen, zu Restitution, Entschädigung und Antisemitismus, wie der Historiker Rathkolb kritisiert. Der Tenor der Zusammenfassung laute, dass die FPÖ eine Partei "wie jede andere" sei.

Als "wissenschaftlich bedenklich" bezeichnete Rathkolb die Ausführungen zu FPÖ-"Gründungsvater" Anton Reinthaller im vorliegenden FPÖ-Papier. So sei – durch die Wissenschafterin Margit Reiter – längst widerlegt, dass Reinthaller bloß einen Ehrenrang bei der SS gehabt und vielen Verfolgten in der NS-Zeit geholfen habe. Vielmehr habe sich Reinthaller nach 1945 nur als Opfer gesehen, obwohl er als hoher Bauernfunktionär unter anderem massiv in den Zwangsarbeitereinsatz involviert gewesen sei und antisemitische Einstellungen weitergetragen habe, so Rathkolb.

Seltsame Schlussfolgerung

Reiter selbst sagt zur Zusammenfassung: "Die ganze Tendenz ist natürlich extrem relativierend." Dass festgehalten werde, die FPÖ sei keine Nachfolgepartei der NSDAP, findet die Historikerin nur seltsam: "Diese Frage stand nie zur Debatte. Dazu brauchen wir einen solchen Historikerbericht nicht. Seit 1945 gibt es das NS-Verbotsgesetz, daher wäre das gar nicht möglich gewesen." Reiter wertet dies als Versuch, grundlegenden Fragen auszuweichen – "also nach den ideologischen Kontinuitäten und Restbeständen, die fortleben – neben dem Personellen natürlich".

Andreas Mayer-Bohusch kommentiert die politische Diskussion rund um die Veröffentlichung einer Zusammenfassung des Historikerberichts über die Geschichte der FPÖ.
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Als "besonders problematisch, weil relativierend" bezeichnet Rathkolb eine Stelle zum Nachfolger Reinthallers, Ex-FPÖ-Chef Friedrich Peter: Im FP-Papier werde zwar darauf hingewiesen, dass er einer Einheit angehört hatte, die 1941 "an Erschießungen hinter der Front beteiligt war". Die 1. SS-Infanterie-Brigade sei aber "wesentlich mehr" gewesen, nämlich "eine reine Mordmaschinerie, die im Sommer 1941 17.000 Juden und Jüdinnen – Frauen, Männer, Kinder – ermordete und später noch 25.000 sowjetische Kriegsgefangene umbrachte".

Kritik an Inszenierung

Nicht weniger vernichtend fällt das Urteil des Politikprofessors Walter Manoschek aus. Er war bei der Präsentation anwesend und empfand diese als "billigste Show". Der Bericht rieche nach "Geschichtsverharmlosung", weil einerseits etwas zugegeben werde, aber nur, um es "im gleichen Atemzug wieder zu relativieren". Dass außerdem (Ex-)FPÖ-Funktionäre die Geschichte der eigenen Partei untersuchen, sei "äußerst dubios" und habe er noch nie erlebt.

Weiter im Dunkeln bleibt auch, warum die Freiheitlichen sich ihre Arbeit in Israel quasi absegnen lassen wollen. "Das ist nur lächerlich und auch peinlich, dass sie das auch noch so offen kommunizieren", sagt Reiter. Wäre es der FPÖ ernst, hätte sie längst ihre Archive für andere Historiker öffnen oder auch eine unabhängige Kommission einsetzen können.

Auf Twitter schreibt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, von einer "verpassten Chance", sich glaubwürdig vom "braunen Sumpf" zu distanzieren.

Auch gab es bei der Präsentation keine Antworten auf die Fragen, was der Bericht für die heutige FPÖ nun bedeute. Etwa ob Freiheitliche weiterhin Feiern für den von den Nazis als Held verehrten Luftwaffenpiloten Walter Nowotny organisieren dürfen – wie zuletzt im November 2018. (Laurin Lorenz, Peter Mayr, Markus Sulzbacher, 6.8.2019)