Berlin – Massenaussterbeereignisse, von denen die irdische Ökosphäre schon einige über sich ergehen lassen musste, führen nicht nur dazu, dass sich quer durchs Reich des Lebens die Anzahl der Arten verringert. Es können sogar ganze Ökosystemfunktionen von entscheidender Bedeutung ausgeschaltet werden, berichtet das Museum für Naturkunde Berlin.

Forscher des Museums veröffentlichten nun im Fachmagazin "Lethaia" ihre Erkenntnisse zu einem solchen Fall. Dabei geht es um die sogenannte Bioturbation, die Durchwühlung des Meeresbodens durch grabende Organismen. Das ist eine wichtige Funktion für ein intaktes Ökosystem, sie sorgt für eine umfassende Umlagerung der oberen Sedimentschichten und dadurch für eine hinreichende Versorgung mit Sauerstoff und den Transport von Nährstoffen im lockeren Meeresboden. So können sich komplexe Nahrungsnetze und vielgestaltige Wechselbeziehungen in marinen Lebensräumen entwickeln.

Störfälle damals und heute

Zu Beginn des Karbon, vor 358 Millionen Jahren, kam es jedoch zu einem Störfall, dem sogenannten Hangenberg-Ereignis. Fossilien aus Marokko zeigen, dass in dieser Zeit nur die Sedimentoberfläche von Generalisten wie Trilobiten und anderen Gliederfüßern besiedelt war. Diese hinterließen lediglich flache Gräben im festen Meeresboden. Hätte es eine diverse Bodengemeinschaft gegeben, die den Meeresboden fortwährend durchwühlt, hätten solche Spuren gar nicht angelegt werden können, oder wären durch die spätere Umlagerung nicht erhalten geblieben.

Die Forscher werten dies als Anzeichen für ein Massenaussterbereignis. Vergleichbare Funde dokumentieren ein wesentlich größeres Ereignis am Ende des Perm vor 252 Millionen Jahren – das größte der ganzen Erdgeschichte. Fraglich ist, was das für das aktuelle, vom Menschen ausgelöste Massenaussterben bedeutet. "Man weiß nicht was passiert, wenn man auf globaler Ebene in den Meeren die Bioturbation verliert", sagt Richard Hofmann vom Naturkundemuseum. "Nährstoffkreisläufe und die Versorgung mit Sauerstoff in tiefere Sedimentschichten könnten so stark eingeschränkt werden, dass Ökosysteme, ähnlich dem Verlust von Riffen, einen Großteil ihrer Komplexität verlieren". (red, 6. 8. 2019)