Die EU hilft ...

Adelheid Wölfl

... beim Aufbau von Infrastruktur in Nordmazedonien.

Adelheid Wölfl

Der Traum aller Buben gräbt sich durch das Land. Ein Riesenbagger, der große Erdmassen aus dem Boden stanzen kann, ist zurzeit unweit der mazedonischen Hauptstadt Skopje im Einsatz. Männer in orangen Westen stehen um das Gerät herum und dirigieren die Schaufel. Zwei Kilometer sind bereits tief in das Erdreich geschnitten. Hier werden riesige Rohre aus Glasfasern verlegt. Die Männer können sich sogar hineinstellen, so groß ist der Durchmesser der Rohre. Hundert Jahre Garantie haben sie mindestens, aber wahrscheinlich werden sie noch von anderen Generationen in tausend Jahren gefunden, falls die Erde noch so lange existiert.

Die Rohre gehören zu einem Abwassersystem, das den Fluss Vardar endlich entlasten soll. Denn bisher geht die gesamte Gülle aus der Hauptstadt direkt in den Vardar, der dementsprechend stinkt und verseucht ist. Es gibt zwar Angler, die sich trotzdem an das Gewässer wagen, doch die Fische gelten als ungenießbar.

Die Verlegung der Rohre und der Bau einer Kläranlage gehören zu einem großen Projekt, das von der EU großzügig unterstützt wird. Insgesamt werden 120 Millionen Euro der Vorbeitrittshilfen der EU (IPA-Gelder) in solche Umweltschutzprojekte in Nordmazedonien investiert. Die Projekte werden von mazedonischen Institutionen zu 15 bis 20 Prozent kofinanziert.

Acht Kilometer Rohre

Mit den Rohren, die zunächst einmal an das städtische Kanalsystem angeschlossen werden sollen, soll nicht nur der Fluss Vardar vor Verschmutzung geschützt werden, sondern auch die Hygiene in der Stadt verbessert werden. Man geht davon aus, dass künftig Erkrankungen, die durch die Umweltverschmutzung und die Verseuchung des Grundwassers entstehen, vermieden werden können.

Über acht Kilometer hinweg werden die Rohre an der Seite des Flusses verlegt. Das Projekt soll bis Februar 2020 fertig gestellt werden. Von den 9,7 Millionen Euro, die das System kostet, zahlen 7,1 Millionen Euro die EU-Steuerzahler.

Nordmazedonien gilt als Hoffnungsmodell für den Balkan. Wenn die EU-Verhandlungen nächstes Jahr beginnen dürfen, dann könnte es ziemlich rasch gehen. Denn Nordmazedonien hat bereits 2005 den Kandidatenstatus erhalten, aber bis zum Vorjahr hat Griechenland den Beginn der Verhandlungen durch ein Veto blockiert. Die Blockadepolitik wurde durch ein Abkommen zu dem neuen Staatsnamen beendet.

Bahn nach Sofia

Folgt man der Straße raus aus der Hauptstadt in Richtung Kumanovo, gelangt man zu einem weiteren von der EU unterstützten wichtigen Infrastrukturprojekt: der Bahnstrecke Richtung Sofia. Skopje ist zwar mit Thessaloniki verbunden – es handelt sich um die alte Orientbahn –, doch nach Sofia kann man bislang nur mit dem Auto fahren. Mit dem Zug soll es künftig schneller gehen – zweieinhalb Stunden. Das erste Teilstück wird durch einen Kredit über 45 Millionen Euro der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) finanziert. Das zweite und dritte Teilstück wird durch verschiedene europäische Finanzinstitutionen ermöglicht.

Zunächst müssen allerdings noch Grundstücke aufgekauft werden, und Nordmazedonien muss bei der EU noch einen Projektantrag einreichen. Oft sind die bürokratischen Abläufe in Südosteuropa sehr schwierig, es braucht viele Sitzungen und Koordinationsversuche, bis so ein Riesenprojekt ins Laufen kommt. Deshalb wird es noch ein paar Jahre dauern, bis man bequem und schnell mit dem Zug von der bulgarischen bis zur mazedonischen Hauptstadt reisen kann. Der Bahnausbau ist aber vor allem für den zunehmenden Güterverkehr gedacht.

Gemeinsame Abfertigung

Für die Autofahrer, die Richtung Norden fahren, gibt es nun seit diesem August bereits eine bedeutende Verbesserung. Erstmals nach dem Ende Jugoslawiens im Jahr 1991 wird der Grenzverkehr zwischen Serbien und Nordmazedonien gemeinsam abgewickelt. Die Autofahrer, die an die Grenze nach Tabanovce kommen, müssen nicht mehr zweimal durch die Pass- und Zollkontrolle, die Beamten der beiden Länder sitzen nun nebeneinander und geben die Ausweise einfach weiter an die Kollegen. Das kann vor allem Zeit sparen. Besonders praktisch ist die gemeinsame Zollstation. Ein ähnliches Modell gibt es bereits an der albanisch-montenegrinischen Grenze.

Mit EU-Geldern wurde in Tabanovce nicht nur ein Bürogebäude direkt am Autobahnübergang finanziert, wo die Lastwagenfahrer die Dokumente prüften lassen können, sondern auch ein spezielles Gebäude für die Überprüfung der Fahrzeuge. Mittels spezieller Scanner können hier die Trucks unter die Lupe genommen werden. Auch Suchhunde kommen zum Einsatz. Die Zollbeamten bekommen Tipps, in welchen Lastwagen Drogen, Zigaretten oder Menschen geschmuggelt werden. Erst kürzlich hat man hier – eingeschweißt in Bodenplatten – 300 Kilogramm Cannabis gefunden. Es kam aus Albanien und war für den EU-Markt bestimmt.

Zollterminal

Das Herzstück des neuen Terminals ist das computergesteuerte "Transitsystem", in dem die Daten schnell und einfach verarbeitet werden. Dafür wurden drei Millionen Euro an EU-Vorbeitrittshilfen ausgegeben. Die Kommunikation zwischen dem serbischen und dem mazedonischen Zoll erfolgt nun digital. Ermöglicht haben dies zwei Konventionen, denen beide Staaten 2015 beigetreten sind.

Der gemeinsame Zollterminal von Serbien und Nordmazedonien ist bereits voll und ganz in das EU-System integriert. Die Formulare gelten für ganz Europa, und der Weg der Fracht kann online vom Einpacken bis zum Auspacken in allen Staaten nachvollzogen werden. Während Serbien und Nordmazedonien nun also in dieses europäische Abwicklungsprozedere integriert sind, wird Großbritannien im Falle eines "Hard Brexit" herausfallen. Mit dem neuen Terminal kann die Abwicklung des Gütertransports jedenfalls um 25 bis 30 Prozent beschleunigt werden. In Dover dürfte es künftig länger dauern. (Adelheid Wölfl aus Skopje, 13.8.2019)