Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Myelomzellen in simulierter Knochenmarksumgebung. Die rundlichen Zellen sind die Krebszellen, die Knochenmarkszellen sind flach.

Foto: K.Pfaller - Histologie und Embryologie Innsbruck. W. Wunderlich, B. Huber

Klinische Studien und die Zulassungsbehörden für Arzneimittel setzen zur Beurteilung der Wirksamkeit neuer Medikamente zunehmend auf Surrogat-Parameter, zum Beispiel die Ansprechraten statt einfach das Gesamtüberleben von Patienten. Aktuell steht dieses Konzept aber zur Diskussion. Eine Studie zum Multiplen Myelom zeigte nämlich eine verdoppelte Sterblichkeit trotz besseren Therapieansprechens.

"Surrogat-Endpunkte in randomisierten kontrollierte Studien: ein Realitäts-Check", betitelten vor wenigen Tagen in der britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" (27. Juli) die Mayo-Klinik-Hämatologen Shaji Kumar und Vincent Rajkumar einen von ihnen verfassten Kommentar. Der Hintergrund: Am 16. Juni hatte Kumar als leitender Studienautor der sogenannten Bellini-Studie beim Kongress der europäischen Hämatologen-Verenigung (EHA) die aufsehenerregenden Ergebnisse präsentiert.

Medikamente kombinieren

In der Studie waren insgesamt 291 Patienten mit wieder aufgetretenem oder auf ein bis drei vorherige Therapieversuche nicht ansprechendem Multiplem Myelom zwei Gruppen zugeteilt worden: 194 erhielten eine neue Kombinationstherapie mit dem ersten Hemmstoff für den BCL-2-Überlebensfaktor von bösartigen Zellen Venetoclax plus Cortison und den seit einigen Jahren bekannten Proteosom-Hemmstoff Bortezomib. 97 Patienten hingegen bekamen das Cortison und Bortezomib allein.

Kumar und sein Kollege schrieben zu den Ergebnissen: "In der Bellini-Studie gab es zweimal so viele Todesfälle in der Gruppe mit Venetoclax mit 194 Patienten als in der Placebo-Gruppe (41 Todesfälle oder 21,1 Prozent versus elf Todesfälle oder 11,3 Prozent) mit 97 Patienten." Die Todesrate unter der untersuchten neuen Therapieform lag um den Faktor 2,03 höher.

Schwierige Abwägung

Größere klinische Studien können entgegen vorangegangenen kleineren Voruntersuchungen immer wieder abweichende Resultate bringen. Was aber die Wissenschafter in diesem Fall beunruhigte: "Venetoclax war im Vergleich zu Placebo überlegen in anderen Aspekten der Wirksamkeit inklusive der Ansprechrate (159 Patienten mit Venetoclax oder 82 Prozent versus bei 66 Patienten oder 68 Prozent unter Placebo; Anm.), dem progressionsfreien Überleben (PFS; 22,4 versus 11,5 Monate) ..." Die Ergebnisse hatten auch regulatorische Konsequenzen. Die US-Arzneimittelbehörde stoppte alle derzeit laufenden klinischen Studien mit dem BCL-2-Hemmstoff bei Patienten mit Multiplem Myelom. (APA, 7.8.2019)