Action beim Platzierungsspiel gegen Lettland. Lacrosse gilt als "schnellstes Spiel auf zwei Beinen". Regeländerungen sollen es noch flotter machen – und attraktiv für die Olympier.

ÖLaxV/Parapatics

Ein Haken, ein Sprint, eine Schleuderbewegung mit dem rund ein Meter langen Schläger, aus der Netztasche saust der Hartgummiball ins Tor: Willkommen bei der Lacrosse-Europameisterschaft. Als Österreichs Frauen-Nationalteam gegen die Schweiz 10:2 in Führung geht, ist der Emmentaler längst gegessen, Platz elf bei 16 teilnehmenden Ländern fixiert.

Wenn Sportarten wie Basketball oder Judo in Österreich Randsportarten sind, müsste man zu Lacrosse fast Rand-Randsportart sagen. Das hat aber eine gute Seite: Wer jetzt beginnt und sich reinhängt, hat realistische Chancen, Nationalteamspielerin zu werden. "Es gibt nicht viele Frauen, die Lacrosse spielen", sagt Nationalteamtrainer Mike Perez. "Viele Länder spielen es in Schulen oder Universitäten. Wir nicht."

Immerhin: "In den letzten Jahren ist unsere Sportart bekannter geworden", sagt Katharina Parapatics, Co-Kapitänin des Frauen-Nationalteams. "Die Jugendarbeit wächst, seit Herbst haben wir erstmals ein wöchentliches Jugendtraining in Wien." Die Sportlerinnen bemühen sich, die Basis auszubauen – aber da der Fisch bekanntlich am Kopf zu glänzen beginnt, sei nochmal die EM beleuchtet.

Immer die Deutschen

"Eine Enttäuschung", nennt Trainer Mike Perez den elften Platz. Das Ziel waren die Top acht, dafür hätte es im ersten Platzierungsspiel einen Sieg gegen Deutschland gebraucht. Kapitänin Parapatics nennt die Deutschen "Lieblings- und Angstgegner", man kennt das als gelernte ÖsterreicherIn aus jedem anderen Sport. Deutschland gewann 11:8, auch das kennt man aus jedem anderen Sport. Für die ÖLaxV-Frauen im Vergleich zu den bisherigen Duellen mit dem Lieblingsnachbarn trotzdem ein Erfolg. "Wir haben zum ersten Mal nicht aufgehört zu kämpfen. Die haben bis zum Schluss zittern müssen", sagt Parapatics.

Das ÖLaxV-Team in Israel.
ÖLaxV/Parapatics

Zur Realität einer Randsportart gehört es auch, dass Großereignisse nicht immer perfekt organisiert sind. "Ursprünglich waren die Spiele erst nach Sonnenuntergang angesetzt", sagt Perez. Wenige Tage vor dem Start kam die Nachricht: Es gibt doch nur ein Spielfeld statt zwei, also wird auch um 13 Uhr in der ärgsten Nachmittagshitze gespielt. Lacrosse ist laufintensiv, der israelische Sommer kennt keine Gnade. "Alle Spielerinnen haben den Preis dafür bezahlt", sagt Perez. "Es war ein sehr ungewöhnlicher Spielablauf, alle fünf oder sieben Minuten gab es eine Wasserpause. Du konntest kein Momentum aufbauen."

Der Stamm blieb

Der US-amerikanische Trainer kam 2011 über die Vermittlung eines Freundes nach Österreich, zuerst noch testhalber. "Am Ende habe ich das Team gemocht und sie mich genug, dass wir weitergemacht haben", lacht Perez. "Viele der Spielerinnen, mit denen ich vor neun Jahren angefangen habe, spielen immer noch – aber ihr Niveau ist jetzt deutlich höher."

Einige der Spielerinnen überlegen aber, aufzuhören. Hier kommt wieder die noch dünne Basis ins Spiel. "Es machen alle Vereine Schultrainings, da gehen wir in Schulen und statt Turnen spielen wir Lacrosse. Wir sind bei Sportfesten und beim Tag des Sports vertreten", sagt Parapatics. Ein Streben nach Aufmerksamkeit und Bekanntheit: "Die Leute sollen sehen, dass es ein cooler Sport ist."

Olympische Träume

Lacrosse wurde von Ureinwohnern der nordamerikanischen Ostküste als Kriegsvorbereitung erfunden, 1904 und 1908 war der Sport noch olympisch. Dann verlor er an Relevanz und erfing sich erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Nun strebt der Weltverband – wie so viele andere – eine Wiederaufnahme ins Olympische Programm an. Dafür werden Männer- und Frauenregeln harmonisiert, die Frauen sprechen von "riesigen Regeländerungen". Teile der Regeln sind noch in Ausarbeitung, einige Änderungen wurden schon umgesetzt. So spielen die Damen nun auch 10 gegen 10, früher war es noch 12 gegen 12.

Quasi eine Lacrosstprobe: Österreichs letztes EM-Spiel gegen die Schweiz.
LACROSSE ISRAEL 2019

"Es geht verstärkt in eine Richtung, dass der Sport körperintensiver und schneller wird. Lacrosse gilt als das schnellste Spiel auf zwei Beinen, das will man halten. Es soll attraktiver zum Zusehen werden", sagt Parapatics. Anvisiert sind die Spiele 2028 in Los Angeles, die USA wären als Lacrosse-Epizentrum ein idealer Gastgeber – selbst unter diesen Bedingungen ist eine Aufnahme freilich unwahrscheinlich.

Die Außerirdischen

Aber das sind Baustellen, mit denen sich Österreich nicht befassen muss. Am Ende des letzten STANDARD-Artikels über Lacrosse anno 2015 wünschte sich Herren-Trainer Richard Hauer Jr., mit Lacrosse-Ausrüstung in der U-Bahn irgendwann nicht mehr "wie ein Außerirdischer" angeschaut zu werden. Also, wie sieht es vier Jahre später aus? Parapatics lacht: "Nicht mehr so oft. Inzwischen ist es so, dass einen Leute anreden und sagen ‚He, das ist doch Lacrosse‘ und man ins Gespräch kommt. Immer wieder kennen die Leute jemanden, der schon Lacrosse gespielt hat." (schau, 14.8.2019)