Einfach schön: der Möwennebel.
Foto: ESO/VPHAS+ team/N.J. Wright (Keele University)

In die Wolken am Himmel interpretieren Menschen seit jeher Formen hinein. Die Astronomie hat den Vorgang auf eine weitere Ebene verlagert: Auch interstellare Wolken aus Gas und Staub regen die Fantasie an, um ihre teils skurril, teils vertraut erscheinenden Morphologien zu beschreiben – sei es der Pferdekopfnebel, der Tarantelnebel oder der Elefantenrüsselnebel.

Die Europäische Südsternwarte (ESO) hat nun ein neues Bild eines weiteren solchen Objekts geliefert, das den Namen Möwennebel trägt. Nüchtern betrachtet handelt es sich um einen etwa 3.700 Lichtjahre von uns entfernten Emissionsnebel, der an der Grenze zwischen den Sternbildern Canis Major (Großer Hund) und Monoceros (Einhorn) zu sehen ist. In seiner Gesamtheit ähnelt er einer Möwe im Flug – die Flügelspannweite beträgt dabei etwa 100 Lichtjahre. Das Bild wurde mit dem VLT Survey Telescope (VST) aufgenommen, einem Teil des Paranal-Observatoriums in Chile.

European Southern Observatory (ESO)

Diese Region, die aus Staub, Wasserstoff, Helium und Spuren von schwereren Elementen besteht, ist die heiße und energiegeladene Geburtsstätte neuer Sterne, berichtet das Max-Planck-Institut für Astronomie. Diese jungen und hellen Sterne sind es, die Emissionsnebel von innen her zum Leuchten bringen, indem sie das umgebende Gas ionisieren. Ein besonders auffälliges Exemplar ist der Stern HD 53367, der 20-mal so massereich wie unsere Sonne ist und das durchdringende Auge im Kopf der Möwe bildet.

Die Hauptbestandteile des Möwennebels sind drei große Gaswolken. Die sich über 100 Lichtjahre erstreckende Wolke Sharpless 2-296 (die Bezeichnung geht auf den Gaswolken-Katalog des amerikanischen Astronomen Stewart Sharpless zurück) bildet dabei die Flügel und ist der markanteste Bestandteil des Möwennebels.

European Southern Observatory (ESO)

In ihr zeigen sich leuchtendes Material und dunkle Staubbahnen, die sich inmitten heller Sterne schlängeln. Diese Bahnen sind wesentlich dichter als ihre Umgebung – allerdings ist "dicht" ein relativer Befriff: Solche Nebel haben eine Dichte von wenigen hundert Atomen pro Kubikzentimeter, viel weniger als jedes künstlich erzeugte Vakuum auf der Erde. Das umgebende Gas weist aber eine durchschnittliche Dichte von sogar nur etwa einem Atom pro Kubikzentimeter auf.

Sh2-292, auf den neuen Aufnahmen direkt unter den Flügeln zu sehen, ist eine kompaktere Wolke, die den Kopf der Möwe bildet. Sie ist sowohl ein Emissionsnebel als auch ein Reflexionsnebel. Denn obwohl sie selbsterzeugtes Licht aussendet, wird auch eine beträchtliche Menge Licht reflektiert, welches von Sternen außerhalb des Nebels stammt. (red, 8. 8. 2019)