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Foto: Alessandro Di Marco/ANSA via AP

Diese Beziehung entstand nicht aus Liebe, sie wurde auch nicht von einem Algorithmus errechnet, sondern vom Wählerwillen bestimmt. Funktioniert hat sie von Anfang an nicht – und sie könnte schon sehr bald zu Ende sein. Zu verschieden sind die Interessen und Versprechen der protestaffinen Fünf-Sterne-Bewegung unter Luigi Di Maio an dem einen und der rechten Lega von Matteo Salvini am anderen Ende der Regierungsbank.

Matteo Salvini (rechts) und Luigi Di Maio (Hintergrund) bilden für Italien eine Zweckgemeinschaft – am gleichen Strang ziehen sie nur selten.
Foto: imago/Insidefoto/Samantha Zucchi

Schon seit Monaten führt Umfragekaiser Salvini seinen tagespolitisch unerfahrenen Koalitionspartner vor. Und oft schon führte Streit darüber in eine Regierungskrise. Erst im Juni musste der parteiunabhängige Regierungschef Giuseppe Conte ein Machtwort sprechen und drohte mit Rücktritt. Die beiden Vizepremiers Salvini und Di Maio begruben also ihr Kriegsbeil und vertrugen sich wieder – für ein paar Wochen.

Doch nun droht eine veritable Regierungskrise, nachdem im Senat der Antrag der Fünf Sterne auf einen Baustopp für das Bahnprojekt TAV zwischen Turin und Lyon (siehe Wissen) gescheitert ist. Nicht zuletzt wegen der Stimmen der Lega. Ausgerechnet.

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Luigi Di Maio (Bild) ist auf Noch-Regierungspartner Matteo Salvini nicht mehr gut zu sprechen.
Foto: REUTERS/Yara Nardi

Wirtschaftslobby setzte sich durch

Der Widerstand gegen das Projekt war für die Fünf-Sterne-Bewegung ein zentraler Bestandteil ihrer Wahlkampagne 2018 gewesen. Doch im Parlament wogen letztlich die finanziellen Interessen mehr als die Umweltbedenken: Die Wirtschaftslobby setzte sich einmal mehr durch.

Schon mit der Stilllegung des Stahlwerks Ilva bei Taranto in Süditalien scheiterte Di Maio, als Minister für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung zuständig. Die Fabrik gilt als einer der größten Umweltsünder Westeuropas. Und auch die Trans-Adria-Pipeline (TAP) sollte umgehend blockiert werden. Beide Male mussten die Fünf Sterne einen Rückzieher machen: Die Ilva ging an den luxemburgischen Stahlgiganten Arcelor-Mittal, der die Produktion sogar noch erhöhen will, und die TAP wird wie geplant fertiggestellt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Di Maio und Co auch in Sachen TAV-Bahntrasse geschlagen geben mussten.

Die Enttäuschung ihrer Wählerinnen und Wähler über die Performance der ursprünglich als Protestbewegung entstandenen Partei lässt sich in Umfragen ablesen: von rund 32 auf nunmehr rund 18 Prozent in 18 Monaten.

Baldige Neuwahlen?

Da verwundert es wenig, dass Salvini auf Neuwahlen drängt. Am Donnerstag stichelte er, Italien brauche "Sicherheiten". Jeder Tag, der vergehe, sei ein verlorener Tag. Daher "ist unsere einzige Alternative jene, den Italienern durch Neuwahlen wieder das Wort zu erteilen."

Er habe Regierungschef Giuseppe Conte gesagt: "Gehen wir sofort ins Parlament, um anzuerkennen, dass es keine Mehrheit mehr gibt, geben wir das Wort schnell an die Wähler zurück".

Und weiter: "Wir sind nicht auf Ministerposten aus", doch Neuwahlen könnten unausweichlich werden. Dass sich der Regierungspartner programmatisch und personell neu aufstelle, das werde nicht reichen.

Conte wies Salvini am Donnerstagabend zurecht: "Es steht einem Innenminister nicht zu, über den Ablauf einer politischen Krise zu entscheiden, in der ganz andere institutionelle Akteure intervenieren", erklärte er bei seiner Ansprache in Rom.

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Matteo Salvini bei der parlamentarischen Arbeit.
Foto: Reuters / Remo Casilli

Es herrscht also offiziell Krisenstimmung: Auf beiden Seiten wurden am Donnerstag Termine abgesagt, Salvini unterbrach auch seine publikumswirksame PR-Tour über die italienischen Strände.

Den ganzen Tag lang hatten die die Medien spekuliert, ob es dieses Mal tatsächlich und final zum Zerwürfnis kommen könnte. Wenn ja, dann könnte schon im Otober gewählt werden. Di Maio zeigte sich indes entschlossen, seine Wahlversprechen einzuhalten.

Salvinis Kalkül ist offensichtlich: Gemeinsam mit Silvio Berlus conis Forza Italia und den postfaschistischen Fratelli d’Italia käme der Rechtsblock mittlerweile auf mehr als 50 Prozent – eine große Verlockung, die Zweckehe mit Di Maio lieber früher als später zu beenden. (gian, 8.8.2019)