Es ist, sagte der Chef des Pekinger Büros für Hongkong-und Macau-Angelegenheiten Zhang Xiaoming am Mittwoch, "die schlimmste Krise" seit mehr als 20 Jahren. Und so kann man die Proteste in Hongkong tatsächlich beschreiben: jedenfalls dann, wenn man die Ansicht der Pekinger Zentralregierung teilt, die ihre Kontrolle über die internen Angelegenheiten der ehemaligen britischen Kronkolonie immer stärker entgleiten sieht. Sie ventiliert deshalb nun Ideen, Interventionen durch die Armee anzustrengen – wohl auch um zu sehen, wie das international ankommt.

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Seit mehr als zwei Monaten dauern die Proteste in Hongkong an.
Foto: REUTERS/Kim Kyung-Hoon

Das zeigt einmal mehr, dass Peking den Kern der Proteste missversteht. Ja, es geht einerseits um das geplante Auslieferungsgesetz, mit dem China via Salamitaktik den Zugriff auf den Hongkonger Rechtsstaat weiter voranbringen wollte. Aber es geht nicht nur darum: Viele der Demonstranten sehen ihre Zukunft und schlicht ihre Freiheit in Gefahr. Die Stimmung entspringt nicht der Unzufriedenheit in einer bestimmten Sachfrage, sondern dem Ärger über die Gesamtsituation. Dagegen hilft es auch nicht, wenn China nun Rückzieher in einzelnen Punkten anbietet.

Das wiederum kennt man in Peking so nicht: Bisher hat es noch immer etwas gebracht, das Volk mit wirtschaftlichem Fortschritt und strenger Kontrolle ruhig zu halten! Was Hongkong vom "Festland" unterscheidet, ist rechtsstaatliche Tradition, die Gewöhnung an Demokratie. Das gibt Hoffnung – egal, was China nun tut. (Manuel Escher, 7.8.2019)