Der Mensch ist irrational. Wenn es darum geht, Risiken einzuschätzen, macht unser Gehirn jede Menge Fehler. Das heißt: Marginale Gefahren werden überbewertet, tatsächliche Bedrohungen unterschätzt.

In Österreich sterben etwa zwei von drei Menschen an Krebs, Herzinfarkt oder anderen Herzerkrankungen – das zeigen die Daten der Statistik Austria. In den Google-Trends zu den häufigsten Todesursachen scheinen diese drei Killer aber nur in 18 Prozent der Suchanfragen auf. Ortwin Renn, Leiter des Potsdamer Instituts für Nachhaltigkeitsforschung, hat dafür einen Namen gefunden, er nennt das "Risikoparadox".

Dass wir uns vor dem Falschen fürchten, zeigen auch die Zahlen zu Terror und Gewaltverbrechen. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag umzukommen, ist in Österreich gleich null, ebenso das Risiko, ermordet zu werden. In den untersuchten Google-Trends liegen diese beiden Todesarten mit knapp sieben und zehn Prozent jedoch auf den vorderen Plätzen.

Diese verzerrte Wahrnehmung hat mehrere Gründe: In Medien und sozialen Netzwerken wird der Blick vor allem auf das Außergewöhnliche gerichtet. Mord und Totschlag sind also in der veröffentlichten Meinung überrepräsentiert, wir können ihre tatsächliche Häufigkeit nicht mehr richtig einschätzen und interpretieren.

Die größte Angst verbreiten zudem Gefahren, die wir nicht kontrollieren können. Und wer sowieso schon beunruhigt ist, sucht verstärkt nach Inhalten, die seine Ängste rechtfertigen. Ganz anders ist das mit Risiken, für die der Einzelne selbst verantwortlich ist.

Das Thema Rauchen ist ein gutes Beispiel dafür. Tabakkonsum ist ein freiwilliges Risiko, das von Rauchern typischerweise unterschätzt wird. Der US-amerikanische Forscher Peter Sandman hat dieses Verhalten einmal so zusammengefasst: "Das Risiko, das uns umbringt, ist nicht unbedingt das Risiko, das uns ängstigt."

Zu Tode fürchten

Was der Objektivität noch im Wege steht, ist die sogenannte Verfügbarkeitsheuristik. Demnach halten Menschen jene Ereignisse für wahrscheinlich, an die sie sich gut erinnern können. Das sind meistens Naturkatastrophen, Flugzeugabstürze, Brände oder Terroranschläge. Das verleitet sie auch dazu, falsche Entscheidungen zu treffen, die tödlich sein können, wie die Risikoforscher Wolfgang Gaissmaier und Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut in einer Studie zeigen konnten.

In den zwölf Monaten nach dem 11. September 2001 nutzte die amerikanische Bevölkerung weniger häufig das Flugzeug und stieg stattdessen auf das vermeintlich sicherere Auto um. Die Wissenschafter berechneten, dass dadurch die Zahl unfallbedingter Todesfälle die statistische Erwartung um rund 1600 Fälle überstieg. "Unsere Studienergebnisse stützen die Annahme, dass die durch Terroranschläge hervorgerufene Angst potenziell gefährliches Verhalten verursachen kann", resümiert Gaissmaier.

Tatsächlich stehen etwa 60 Prozent aller Todesfälle mit vier Lebensstilfaktoren in Zusammenhang: Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährung. Das sollten wir bedenken, wenn wir das nächste mal angstvoll Google befragen. (Günther Brandstetter, Sebastian Kienzl, Daniela Yeoh, CURE, 25.8.2019)