Sowohl die Volkspartei als auch ihre Spitzenkandidat Sebastian Kurz kommen auf je 35 Prozent in der aktuellen Umfrage für den STANDARD

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Linz – Gäbe es ein Schulzeugnis für die politischen Parteien, dann würden vier von zehn Wahlberechtigten der FPÖ ein "Nicht genügend" geben. Dennoch würde etwa jeder Fünfte die FPÖ wählen. Diese erklärten FPÖ-Wähler sind auch Hardcore-Fans der Freiheitlichen, erklärt Market-Studienleiter David Pfarrhofer die Ergebnisse der August-Umfrage seines Instituts für den STANDARD.

"Das sind die Leute, die bei vielen Fragen ganz andere Antworten geben als der Rest der Befragten. Die sind so ziemlich gegen alles, was nicht blau ist. Zur eigenen Partei sind sie, Ibiza hin, Ibiza her, dagegen völlig treu: 60 Prozent der FPÖ-Wähler geben ihrer Partei die Bestnote, weitere 22 Prozent einen Zweier. Aber mit dieser Benotung stehen sie allein auf weiter Flur", sagt Pfarrhofer.

Die besten Noten bekommt die ÖVP: 15 Prozent geben der Partei von Sebastian Kurz ein "Sehr gut", 27 Prozent ein "Gut" – wobei die eigenen Wähler jeweils 44 Prozent vergeben. Aber auch die Wähler von FPÖ und Neos geben der ÖVP öfters einen Zweier. 17 Prozent der Wahlberechtigten geben der ÖVP die schlechteste Note – von den Wählern der SPÖ und der Grünen gibt jeder Dritte der ÖVP einen Fünfer.

ÖVP liegt besser als vor Regierungswechsel

Im hochgerechneten Wahlergebnis sieht das so aus:

  • Die ÖVP kommt auf 35 Prozent, mit leicht fallender Tendenz gegenüber Juni (38) und Juli (36) – allerdings sind die Werte immer noch höher als vor dem Bruch der Koalition, als zwischen 33 und und 34 Prozent türkis zu wählen bereit waren.
  • Die SPÖ ist auf dem zweiten Platz mit 22 Prozent in der Market-Hochrechnung. Sie leidet unter einen schlechten Bewertung ihrer bisherigen Arbeit. Pfarrhofer: "Nur zwei Prozent geben der SPÖ für ihre Perfomance der letzten beiden Jahre ein 'Sehr gut', 13 Prozent ein 'Gut'. Da bekommen die Grünen bessere Noten, obwohl sie eine außerparlamentarische Opposition darstellen."
  • Nur knapp hinter der SPÖ liegt die FPÖ mit hochgerechneten 20 Prozent. Ihre Wählerschaft ist unbeirrbar, meint Pfarrhofer: "Für die gibt es nichts als die FPÖ, die FPÖ-Präferenten vergeben ihrerseits auch kaum positive Noten für die anderen Parteien, sie sind also kaum wechselbereit."
  • Die Neos erhalten in der aktuellen Hochrechnung zehn Prozent, was einer Verdoppelung des Stimmenanteils seit der Nationalratswahl 2017 gleichkäme. Und auch die Noten sehen gut aus: "Auffallend ist vor allem, dass die Neos die wenigsten 'Nicht genügend' von allen Parteien bekommen", sagt Pfarrhofer. Wie auch bei anderen Parteien ist es die freiheitliche Gefolgschaft, die besonders schlechte Noten verteilt.
  • Die Grünen, zuletzt mit 3,8 Prozent aus dem Parlament geflogen, haben zumindest in der Umfrage ein Comeback: Zehn Prozent rechnet ihnen Pfarrhofer zu. Sie haben ein ähnliches Notenprofil wie die Sozialdemokraten – sie sprechen auch ähnliche Wählergruppen an, was einen Wähleraustausch möglich erscheinen lässt, heißt es bei Market. Tatsächlich tritt bei den Grünen ein Effekt ein, der aus den 1990er Jahren bekannt ist, das so genannte "Over-Reporting": Das bedeutet, dass sich in den Umfragen mehr Befragte zu den Grünen bekennen als statistisch erwartbar wäre; dieser Effekt schlägt sich dann üblicherweise bei der Wahl darin nieder, dass die Grünen weniger Stimmen bekommen als ihr Bekenneranteil in den Umfragen war.
  • Ähnlich schlechte Noten wie die FPÖ erhält die Liste Jetzt von Peter Pilz. In der Hochrechnung kommt sie derzeit nur auf ein Prozent. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die statistische Schwankungsbreite an diesem Ende der Skala liegt bei weniger als einem Prozentpunkt.

Pfarrhofer erklärt, dass man Hochrechnungen aus Umfragen zwei Monate vor dem Wahltag nicht als Ergebnisprognose missverstehen darf: Noch lieferten die Umfragen bloße Stimmungsbilder und Motivationslagen. Eine dieser Motivationen lässt sich aus den Antworten auf die Frage ablesen, ob die in der Sonntagsfrage präferiere Partei in die Regierung oder in die Opposition soll.

Wer eine Partei wählt, will dass sie regiert

Am stärksten an einer Regierungsbeteiligung ihrer Partei interessiert sind die ÖVP-Wähler: 96 Prozent der ÖVP-Wähler wollen ihre Partei wieder regieren sehen. In ebenso hohem Maß wollen die ÖVP-Wähler Sebastian Kurz als Kanzler.

Von den SPÖ-Wählern wollen 89 Prozent die Sozialdemokratie auch wieder in der Regierung sehen. Allerdings: Nur die Hälfte der Wählerschaft der SPÖ würde Parteichefin Pamela Rendi-Wagner zur Kanzlerin wählen. Pfarrhofer: "Rund ein Viertel der Leute, die sagen, dass sie der SPÖ ihre Stimme geben würden, kann sich dann für keinen Kanzlerkandidaten entscheiden. Für Kurz will man nicht sein, da vielleicht eher für Brigitte Bierlein, die bei den Anhängern der Opposition generell hohes Ansehen genießt, aber nach der Wahl wohl nicht mehr zur Verfügung stehen wird."

Bei den Wählern der FPÖ sind 86 Prozent dafür, dass die eigene Partei wieder mitregiert, bei den Neos wünschen sich das etwa drei Viertel der Parteiwähler, bei den Grün-Wählern gibt es immerhin eine Zweidrittelmehrheit für eine Regierungsbeteiligung.

In der Kanzlerfrage führt Sebastian Kurz mit 35 Prozent deutlich vor Pamela Rendi-Wagner mit 13 Prozent. Auf denselben Wert kommt Amtsinhaberin Brigitte Bierlein. Norbert Hofer kommt auf zehn Prozent, Beate Meinl-Reisinger auf acht, Wener Kogler auf sieben und Peter Pilz liegt mit drei Prozent in der Kanzlerfrage deutlich höher als seine Partei Jetzt. Diese Werte sind weitgehend stabil, auch wenn Bierlein immer weniger als Kanzlerkandidatin für die Zukunft in Betracht gezogen wird.

Mehrheit schätzt sich als "links der Mitte" ein

Ein auffallender Aspekt der Umfrage ist, dass es seit Jahren eine stabile Mehrheit von ÖVP und FPÖ gibt, sich die Wahlberechtigten selbst aber mehrheitlich als links der Mitte stehend einschätzen. Die 800 Umfrageteilnehmer wurden zuerst einladen, ihre eigene Einstellung zu beurteilen: "In der Politik wird immer über die politische Mitte und links bzw. rechts der Mitte diskutiert. Wenn Sie sich selbst einschätzen würden – wie weit links oder rechts sind Sie von Ihrer politischen Einstellung?"

Dabei zeigte sich, dass Männer sich auf einer von 0 bis 100 reichenden Skala genau an der Mitte (50,14) einstuften, Frauen etwas weiter links bei 45,93. Insgesamt tendiert die Wählerschaft also leicht nach links. Der Skalenwert liegt bei 47,98, während sich Wähler vor der Wahl 2017 noch ganz nahe am Mittelpunkt der Skala bei 49,77 positioniert hatten.

  • Die FPÖ-Wähler sind dabei besonders entschlossen rechts, ihr Wert liegt nach Selbsteinschätzung bei 62,98. Und das entspricht auch der Positionierung, die sie selbst der FPÖ geben. Von allen anderen Wahlberechtigten wird die FPÖ allerdings als wesentlich weiter rechts stehend gesehen, im Schnitt beim Wert 81,2.
  • Die ÖVP-Wähler sehen sich selbst beim Wert 53,24 auf der Links-Rechts-Skala – und damit leicht rechts der Mitte. Ihre bevorzugte Partei stufen sie selbst als weiter rechts (Skalenwert 56,48) ein – im Bild aller Wahlberechtigten wird die ÖVP bei 61,35 eingestuft.
  • Die Neos-Wählerinnen und -Wähler sehen sich selbst mit 44,35 eher links – und damit etwa dort, wo alle Wahlberechtigten die Neos sehen.
  • Die SPÖ-Wählerschaft schätzt sich mit 37,83 etwa gleich weit links der Mitte ein wie die FPÖ-Wähler sich rechts der Mitte wähnen. Ihre bevorzugte Partei sehen sie noch etwas weiter links und etwa dort wird die SPÖ auch von der Gesamtheit der Wahlberechtigten gesehen: 33,67. Pfarrhofer: "ÖVP- und FPÖ-Wähler sehen die SPÖ weiter im linken Spektrum als die Wähler der Oppositionsparteien der vergangenen Periode die FPÖ rechts sehen."
  • Grünen-Wähler sind ihrem Selbstbild nach gemäßigte Linke – ihre Selbstpositionierung entspricht mit 37,49 etwa jener der Sozialdemokraten. Sie selbst sehen die Grünen aber viel weiter links (27,02) und die Einschätzung der Gesamtheit der Wählerschaft liegt bei 24,45.
  • Über die Wählerschaft von Jetzt (Liste Peter Pilz) kann man wegen ihrer geringen Größe keine Aussage treffen, wohl aber gibt es ein Bild, das die Partei abgibt: Demnach wird Jetzt bei 31,33, also zwischen SPÖ und Grünen im linken Spektrum verortet. (Conrad Seidl, 11.8.2019)