Kaspar Frauenschuh beugt sich über den langen, mit einem Leder-Patchwork überzogenen Tisch. "Hirschleder, sämisch gegerbt", erklärt der Geschäftsführer. Der Arbeitstisch steht im Showroom zwischen Kleiderstangen und Moodboard, untergebracht ist das Kitzbühler Familienunternehmen in einem unauffälligen Gebäude in der Nähe des Bahnhofs. Die Atmosphäre so unaufgeregt wie bodenständig. Das Schickimicki-"Kitz" rund um Rosi's Sonnbergstuben ist weit weg.

Einige Hundert Meter weiter im Ortszentrum sieht die Sache anders aus. Hier residiert das Luxusunternehmen Louis Vuitton in einem historischen Gebäude aus dem 15. Jahrhundert, daneben die Moncler-Filiale, eine Kurve weiter befindet sich der holzvertäfelte Shop von Frauenschuh. Promis wie Arnold Schwarzenegger oder Gigi Hadid shoppen hier während ihres Skiurlaubs. Dass sie in den Stücken des österreichischen Unternehmens über die Piste brettern, weiß kaum wer.

Die Nische als Chance

Dabei ist der Name des österreichischen Betriebs bis zu den kaufkräftigen Zielgruppen der Skigebiete von Colorado vorgedrungen. Rund 2.000 Euro kostet ein Lederparka, eine klassische Fleecejacke 200 Euro aufwärts. "Wir haben nie Massenprodukte gemacht, die Nische ist unsere Chance", erklärt der Mittfünfziger. Sein Wachstum hat das Unternehmen der exklusiven Kundschaft des Skistandortes Kitzbühel zu verdanken.

Das Kerngeschäft der 1950 gegründeten Manufaktur war ursprünglich das Leder, mit dem Skisport-Glamour der 1960er- und 1970er-Jahre erweiterte die Firma von Hans und Anna Frauenschuh ihr Programm um Wintersportmode. 1974 stieg Sohn Kaspar ein, holte für den Shop im Ortszentrum Marken wie Helmut Lang, Armani, Prada nach Kitzbühel. Mittlerweile konzentriert man sich auf die eigene Mode. Der Bestseller: eine "sexy taillierte Fleecejacke", 1997 für 1980 Schilling auf den Markt gebracht und bis jetzt in modernisierter Form zu haben. Heute hat das Unternehmen 48 Mitarbeiter und 120 Großhandelskunden. Vor allem in die USA soll weiter expandiert werden, der Nachwuchs studiert schon dort.

Österreichische Mode: Jacke von Airfield (links), Kappe von Martini (oben), Fleecejacke von Frauenschuh, Kleid von Sportalm, Tasche von Skinfit, Hose von Northland, Kappe von Löffler.
Foto: Hersteller/Collage DER STANDARD

Mode im Sportbereich

Auch wenn bei Frauenschuh in Kitzbühel die Zeichen auf Expansion stehen: Der österreichischen Textilbranche hängt der schale Geschmack von Krise an. Traditionsbetriebe gaben im Zuge des Vormarschs osteuropäischer und asiatischer Rivalen reihenweise auf. Und auch heute segelt die Branche noch hart am Wind. 130 Firmen listen die Statistiken der Wirtschaftskammer in Österreich auf (wobei hier auch Wäschereien hineingerechnet werden). Erfolgreich sind jene Unternehmen, die sich spezialisiert haben. Besonders fit sind Österreichs Modelabels im Sportgeschäft.

Hier bedienen Unternehmen wie Martini, Skinfit wie Löffler geschickt ihre Nischen. Löffler etwa deckt, was hierzulande selten wurde, noch die gesamte Wertschöpfungskette von der Strickerei bis zur Vermarktung ab. 200 Beschäftige zählt das Innviertler Familienunternehmen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr stieg sein Umsatz um zehn Prozent auf 27 Millionen Euro, gut 60 Prozent davon werden im Export erzielt. Auf die jährlich 1,3 Millionen Textilien greifen nicht nur Freizeitsportler zurück. Löffler versorgt das Bundesheer wie Sportverbände mit Funktionswäsche. Einen Heimvorteil gebe es in Österreich allerdings nicht, sagt Geschäftsführer Otto Leodolter. Aufträge würden EU-weit ausgeschrieben, man duelliere sich preislich mit Anbietern aus aller Welt. Was ihn schmerzt, ist das altbackene Image der Textilausbildung. "Wäschewarenerzeuger" nenne sich der Beruf in Österreich, was wahrlich wenig sexy sei, bedauert Leodolter. "Da müsste man mehr Esprit reinbringen", zumal der Job hohe technische Anforderungen stelle.

Hartes Pflaster Österreich

Auch für Northland-Eigentümer Arno Pichler erwies sich Österreich als hartes Pflaster. Er erinnert sich noch gut an die steinigen Anfänge, daran, wie er mit langen Haaren im Wohnmobil durchs Land zog, um Händler für seine Kollektionen zu gewinnen. Sein Vater, ein Manager, der sich dem Extrembergsteigen verschrieb, hatte die Textilmarke Northland aufgebaut. Der älteste Sohn hätte sie übernehmen sollen. Doch der Helikopter-Pilot verunglückte tödlich. Pichler sprang für seinen Bruder ein und lief sich daraufhin in Österreich die Füße wund. "Eine US-Marke hätte jeder lässig gefunden, für eine österreichische hat sich in den frühen 1990er-Jahren keiner interessiert."

Pichler, damals noch keine 30, von Beruf Mountainbiker und in den Augen der Fachhändler ein unerfahrener Jungspund, versuchte es daraufhin in Deutschland. Dort öffneten sich für ihn und seine Schwester Sigrid Url rasch die Türen. "Wir brachten die Technologie aus dem Bergsport in die urbane Mode", erzählt der Unternehmer. Was zuvor primär Kletterern und Alpinisten diente, fanden bald auch Stadtradler und Wald-und-Wiesen-Wanderer kleidsam. Das steirische Unternehmen blieb dem Export treu und spannte von Graz aus ein Netz von mehr als tausend Filialen von Südamerika bis China. Er selbst habe monatelang in einer chinesischen Fabrik gearbeitet und dort die Produktion von der Pike auf gelernt, sagt Pichler. Den schlechten Ruf des Landes im Textilgeschäft lässt er nicht gelten, spricht von fairen Löhnen und aufwendigen Zertifizierungen seiner Lieferanten.

Filialen in China

2001 stieg Northland als Erster der Branche mit funktioneller Freizeitbekleidung auch als Händler in China ein. "Wir ernteten von Mitbewerbern schallendes Gelächter." Doch das Rezept ging auf. Zwar brauchte es zwei Anläufe, mittlerweile zählen die Steirer dort jedoch 500 Filialen, die von Partnern betrieben werden. "Heute gibt es keine Marke, die nicht in China Fuß fassen will." In Österreich setzt der Familienbetrieb mit 200 Mitarbeitern 50 Millionen Euro um. In Österreich hat sich das Blatt für Northland mittlerweile gewendet: Große Textilketten räumten für die kleine Weltmarke quer durch den Markt Regale frei.

Auch das oberösterreichische Unternehmen Airfield bedient den internationalen Markt, Werbekampagnen mit Claudia Schiffer, Sharon Stone, Helena Christensen sowie Instagram-Beiträge des deutschen Aushängeschilds Frauke Ludowig visieren die DACH-Region, Belgien, die Niederlande und Kanada an. Dabei ist das 100 Mitarbeiter starke Unternehmen seit seiner Vergrößerung im Jahr 1980 in Seewalchen am Attersee zu Hause. Die Mode des Unternehmens ist aus abgewandelter Skibekleidung entstanden. "Als wir angefangen haben, gab es Escada und Freizeitjeans, wir haben einen sportlichen Touch in die Damenmode eingebracht", erklärt Geschäftsführer Walter Moser. Mit den trendgetriebenen Vertikalen könne und wolle man nicht konkurrieren: "Die Durchschnittsgröße der Kundin im Premiumbereich liegt zwischen 40 bis 42, wir bedienen rauf bis Größe 44. Wichtig sind gut sitzende Pass- und Schnittformen, sie sind zu rund siebzig Prozent mitentscheidend beim Kauf", so Moser.

Kitzbühels Image

Zurück nach Kitzbühel, zum Ski-Eldorado der Schönen, der Reichen und der Russen. An der Ortseinfahrt befindet sich das 2014 errichtete Headquarter des Unternehmens Sportalm. Das Image des Skiorts kommt auch der Marke, die 1953 von Willi Krueschnigg als Strickerei gegründet wurde, zugute: "Kitzbühel zaubert den Leuten ein Lächeln ins Gesicht", ist sich Ulrike Ehrlich sicher. Seit 1998 verantwortet sie als Chefdesignerin die Kollektionen. 1980 hatte ihr Vater Wilhelm die Firma übernommen. Heute bedient Sportalm drei Segmente: Skibekleidung, Tracht und Mode.

Am Standort Kitzbühel werden die Kollektionen entwickelt, im eigenen Produktionsbetrieb in Bulgarien die Webware verarbeitet, Strick und Jersey stammen von Zulieferern aus der Türkei und aus Portugal, das Denim aus Italien und der Türkei. 55 Millionen Euro Umsatz wurde 2018 gemacht – Probleme bereitet der russische Markt: "Wir leiden massiv unter den Sanktionen."

Potenzial sieht Ehrlich vor allem im Modebereich. Das vor 14 Jahren aufgebaute Premium-Segment macht schon jetzt 60 Prozent des Umsatzes aus: "Die Mode wird in 26 Ländern verkauft, das ist bei Trachten nicht möglich." Ebenfalls zukunftsträchtig: die Skimode. "Wir bewegen uns hier im Luxussegment und werden davon profitieren, dass der Skisport in Zukunft wohl kein Breitensport mehr sein wird." Davon könnte auch die österreichische Konkurrenz profitieren. (Anne Feldkamp, Verena Kainrath, 9.8.2019)