Es fehlt nur noch der Zigarettenrauch: Der Konferenzsaal in der Uno-City ist mit warmem Holz und cognac-farbenem Leder ausgestattet. Das Mobiliar befindet sich im Originalzustand.

Foto: Stefan Oláh

Etwas futuristischer geht es in den Stiegenhäusern zu: Als Inspiration für das Silber und Orange dienten Architekt Johann Staber die neuen Silberpfeil-Wagons der Wiener U-Bahn.

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Architekturfotograf Stefan Oláh: "Ich behübsche nichts."

Foto: Roman Keller

Es riecht nach Leder, Cognac und Club 2. Der ganze Saal ist mit edel furnierten, an den Enden leicht abgerundeten Holzplatten verkleidet. Über dem Eingangsbereich hängen Leuchtkästen für die sechs offiziellen Uno-Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch und Arabisch. Und in den Armlehnen der gesteppten Ledersessel befinden sich Steckdose, Lichtschalter und Lautstärkeregler. Sogar ein kleines Fach für die Kopfhörer ist geschickt in die Geometrie des an Komfort unüberbietbaren Sitzmöbels integriert. Man möchte sofort daran drehen und drücken und ein paar Minuten lang Sekretär spielen.

"Obwohl das Gebäude seit 40 Jahren in Verwendung ist, halten sich die Abnutzungsspuren im Rahmen. Vor allem aber fasziniert mich, dass die gesamte Architektur so konzipiert ist, dass sie bis heute die neuesten Licht- und Tontechniken aufnehmen kann, ohne etwas von ihrer Einzigartigkeit einzubüßen." Anneliese Heber ist Mitarbeiterin im Informationsdienst der Vereinten Nationen, und das seit dem allerersten Tag, als das Vienna International Centre, umgangssprachlich besser bekannt als Uno-City, am 23. August 1979 seinen Betrieb aufnahm.

Entscheidung von Bruno Kreisky

Insgesamt hatten sich 183 Architekturbüros am 1970 ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligt. Auf den ersten drei Plätzen rangierten Cesar Pelli (Los Angeles), BDP Building Design Partnership (London) sowie das deutsche Architekturbüro Novotny & Mähner. Nachdem sich die Vereinten Nationen jedoch nicht über das auszuführende Siegerprojekt einigen konnten, entschied sich der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky kurzerhand und sehr zum Leidwesen der ÖVP-Opposition und des Nationalrats, der sogar einen Untersuchungsausschuss einberief, dem Viertplatziertem den Zuschlag zu geben. Es sollte das größte und wichtigste Projekt des österreichischen Architekten Johann Staber (1928-2005) werden.

"Die Uno-City ist ein ikonografisches Gebäude auf exterritorialem Boden mit einer eigenen Postleitzahl", so Heber. "Und obwohl die meisten das Bauwerk nur aus der Entfernung kennen, ist es dennoch jedem Wiener ein Begriff. Die wuchtigen Betonscheiben, die fast schwerelos dazwischen hängenden Geschoße und die beiden Farben Silber und Orange, mit denen sich der Architekt an den Silberpfeil-Wagons der Wiener U-Bahn orientierte, sind zutiefst einprägsam. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jedenfalls wird die Atmosphäre dieses Hauses sehr geschätzt."

Provokante Maßstabslosigkeit

Oder, wie Friedrich Achleitner in seinem Österreichischen Architekturführer anmerkt: "Dem Staber’schen Entwurf mit seinen sechs Y-förmigen Türmen wurde unter anderem ein dekorativer Städtebau mit einer für das Umfeld provokanten Maßstabslosigkeit vorgeworfen, andererseits konnte man der bizarren Konzeption gegenüber den anderen Projekten eine gewisse Zeichenhaftigkeit, Merkbarkeit und auch einen konstruktiven Elan nicht absprechen." Genau dieser Elan hat es dem Wiener Architekturfotografen Stefan Oláh angetan. Nachdem er sich in sehr schönen und zum Teil längst vergriffenen Büchern den Wiener Tankstellen, den Wiener Würstelständen, den Wiener Stadtbahnbögen und der österreichischen Architektur der Fünfzigerjahre gewidmet hatte, nahm Oláh diesmal die Architektur von Wickie, Slime und Paiper unter die Lupe. Sein Bildband Bunt, sozial, brutal ist eine Ode an die Aufbruchstimmung und die oft kompromisslose bauliche Manifestation dessen, wie man sich damals Zukunft vorstellte.

"In den 1970er-Jahren wurde viel Neues, teils auch Widersprüchliches ausprobiert", sagt Oláh. "Es war eine Zeit voller technischer Innovationen und poppig-bunter Träume, aber auch eine Dekade mit Ölkrise, Konsumskepsis und einigen politischen Dämpfern. Das alles spiegelt sich auch in der Architektur wider." Allein die orange lackierten Liftkabinen und Stiegenhäuser in der Uno-City bezeichnet der Fotograf als einen Optimismus, den man heute kaum noch irgendwo vorfindet. "Ein Repräsentationsgebäude der Vereinten Nationen mit diesen Farben und einer Formensprache wie in Raumstationen und U-Booten … das muss man sich einmal vorstellen!"

Keine Ablenkung

Oláhs Bildsprache ist so reduziert und archaisch, dass nichts vom fotografierten Motiv ablenkt. Sein Werkzeug ist die Linhof Technika, eine klappbare Laufbodenkamera, bei der der Fotograf, damit er die Mattscheibe besser sehen kann, unter einem schwarzen Tuch verschwindet. "Ich behübsche nichts, ich retuschiere nichts weg, ich zeige jedes Objekt im Originalzustand mit all seinen Gebrauchsspuren." Im Zeitalter der Instagram-Bildinflation ist das fast schon eine Kampfansage.

"Mein Appell ist an die Wahrnehmung gerichtet", sagt Oláh, der in seinem Bildband rund 30 Bauwerke aus ganz Österreich einfängt: Kirchen, Schulen, Villen, Wohnbauten, Konzerthäuser, Bürogebäude und Infrastrukturbauten in den entlegensten alpinen Regionen. Die Liebe zum Detail und zum Genius Loci ist bisweilen berührend. "Mein Ziel ist, die Wahrnehmung für das visuelle Bild zu schärfen, aber auch jene für den Wert des Gebauten. Die Architektur der Siebzigerjahre verdient es, liebevoll und wohlwollend betrachtet zu werden." Dieses Buch hilft dabei. (Wojciech Czaja, 11.8.2019)