Als die jüngere Tanz-Moderne lernte, baden zu gehen, und dabei auch noch das Projekt der Aufklärung vorantrieb: "Macbeth", die Arbeit des verstorbenen Kärntner Tanzkünstlers Johann Kresnik, demonstrierte einem nachwachsenden Publikum die Wichtigkeit politischer Prinzipienfestigkeit.

Foto: Dieter Wuschanski

Ein so großes Festival wie Impulstanz hat viele Mitwirkende: die Künstlerinnen und Künstler sowie deren Mitarbeiter, die Crews des Veranstalters und seiner Kooperationspartner, die Workshop-Dozenten. Der zahlenmäßig weitaus größte Anteil derer aber, die dafür sorgen, dass etwas wie Impulstanz zustande kommt, soll auch genannt werden: das Publikum, das in zeitgemäßer Sichtweise ein Akteur und nicht bloß passive Kunstkonsumentenschaft ist.

Die aktuelle Ausgabe von Impulstanz, die am Sonntag zu Ende geht, wird bis dahin gut 140.000 Besucher gezählt und für eine Gesamtauslastung von mehr als 97 Prozent gesorgt haben. Auf der Angebotsseite haben dann 55 Compagnien ihre 63 Produktionen in 145 Vorstellungen gezeigt, und im parallel laufenden Workshop-Festival werden 187 Lehrende in ihren 242 Workshops insgesamt 43.000 Besuche verbucht haben.

Über Auditorien wird meist nur zurückhaltend reflektiert. Kein Wunder, denn zwischen Kunstschaffenden und ihrem Publikum herrschte lange ein schwieriges Verhältnis. Das hat sich, jedenfalls im Tanz, deutlich verändert. Performancebesucher leiden heute kaum noch unter dem Komplex, den Anforderungen der Kunst nicht zu genügen.

Dynamiken einer neuen Aufklärung

Jetzt schaffen Künstler eher Gedankenanstöße, schlagen Perspektiven vor, die ansonsten von den Regelwerken der Gesellschaften ausgeblendet werden, und können so das allgemeine Vorstellungsvermögen erweitern. Diese Entspannung aber sollte nicht schon als Idealzustand missverstanden werden, denn unsere Gesellschaften haben sich bekanntlich in neue Herausforderungen manövriert. Daher gerät auch der Tanz in die Dynamiken einer neuen Aufklärung.

Der Choreograf Hans Kresnik, der Impulstanz 2019 mit seinem Macbeth eröffnet hatte und am 27. Juli verstorben ist, war gerade dabei, sich in diesem Sinn neu zu positionieren. Auch Pina Bausch (1940–2009), aus deren Vermächtnis das diesjährige Festival das Stück Masurca Fogo im Burgtheater zeigte, gehörte – wenn auch auf andere Art – zu den künstlerischen Aufklärern einer nun aussterbenden Generation.

Bei Impulstanz war dieses Jahr ebenfalls zu sehen, welche Perspektiven, Anstöße und Vorstellungsräume der Tanz und die Performance aktuell anzubieten imstande sind. In der Gesamtschau lässt sich sagen: Das Spektrum ist so groß wie nie zuvor, Qualitäten zeigen sich oft überraschend, und es gibt wieder sehr viel künstlerisches Entwicklungspotenzial.

Das Publikum jedenfalls, so zeigt der Vergleich über die vergangenen drei Jahrzehnte, war noch nie so offen wie heute. Hat sich also die Gesellschaft zum Besseren verändert? Ist die Kunst zugänglicher, die Kommunikation zwischen Veranstaltern und Zuschauern effektiver geworden?

Austariertes Gebilde

Für das Verständnis der Werke in einem ästhetisch so weit angelegten Festival wie Impulstanz sind solche Fragen interessant. Denn tatsächlich setzen sich diese Stücke erst in den Köpfen der Betrachter zu Kunstwerken zusammen – weswegen sie übrigens auch keine Konsumartikel sein können und absolut nicht "gefallen" müssen, um zu gelingen. Hier zeigt sich auch der Unterschied zwischen Kunst und Kommerz. Letzterer ist logischerweise auf Gefälligkeit hingebastelt, erstere bleibt wesentlich indifferenter.

Bei Impulstanz wird bis heute kein Kommerz gezeigt. In diesem Jahr war statt dessen ein raffiniert austariertes Gebilde zu sehen, mit Balancen beispielsweise zwischen historischer, jüngerer Moderne (Kresnik, Bausch) und postmodernem Diskurs (Mette Ingvartsen), zwischen brasilianischer Stimmung (Ismael Ivo) und österreichischer Rigidität (Doris Uhlich, Chris Haring), zwischen eher tanz- und eher performanceorientierten Stücken gleichermaßen von Künstlerinnen und Künstlern.

Die Kooperationen mit dem Mumok und dem Leopold Museum haben Erfahrungen aus den vorangegangenen Jahren vertieft. Ausstellungen und Film- beziehungsweise Videoprogramme ergänzen das Angebot an Performances, und die Vielfalt der präsentierten künstlerischen Formate entspricht definitiv dem State of Art der zeitgenössischen Choreografie. Eine Leistung, die mit einem Gesamtbudget von rund sechs Millionen Euro zustande kam. 1,65 Millionen davon steuerte das Publikum direkt an den Kassen bei. (Helmut Ploebst, 9.8.2019)